33. Weihenstephaner Forsttag 2023 im Zeichen von Climate-Smart Forestry

Blick vom hinteren Ende des Hörsaals über das Auditorium hinweg hinunter zu zwei Herren vor der Leinwand im Hörsaal neben Stehtischen
© Anna Kutscher

Der diesjährige Weihenstephaner Forsttag stand ganz im Zeichen von Climate-Smart Forestry, wobei vormittags die wissenschaftliche und nachmittags die (forst-)politische und Praxis-Sicht im Fokus stand.

Climate-Smart Forestry ist ein umfassendes Konzept, das verschiedene Maßnahmen zur Optimierung der Kohlenstoffbindung im Wald und in Holzprodukten sowie zur Stärkung der Resilienz unserer Wälder gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels umfasst.

Prof. Dr. Christoph Moning, Vizepräsident Forschung und Wissenstransfer, begrüßte die Teilnehmenden in Vertretung von Präsident Dr. Eric Veulliet. Er wies dabei auf die Bedeutung des schon traditionellen Forsttages als Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis hin. Jörg Ewald, Dekan der Fakultät Wald und Forstwirtschaft, stellte die Studienangebote der Fakultät vor und wies auf einschlägige Forschungsprojekte zum Themenfeld Wald und Klimawandel hin.

Wissenschaft und Podiumsdiskussion am Vormittag

Dr. Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellte das „Bauhaus der Erde“ vor, eine Initiative für eine Bauwende. Die gebaute Umwelt verursache etwa 40 % der globalen Emissionen und 55 % des Abfalls in entwickelten Ländern und verbrauche in Deutschland 90 % der mineralischen Ressourcen. Holz könne einen wichtigen Beitrag bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors leisten. Es gebe dabei aber Zielkonflikte: Welches Holz genutzt wird und in welchem Umfang, erfordere ganzheitliche Betrachtungen auf internationaler Ebene.

Prof. Dr. Gabriele Weber-Blaschke von der Holzforschung München ging in ihrem Beitrag „Kontrovers diskutiert – der Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft“ auf die Kohlenstoffspeicher und Kohlenstoffflüsse der Forst- und Holzwirtschaft ein. Diese würden durch C-Speicherung in Wald und Holzprodukten sowie durch Treibhausgasvermeidung (Substitution) zum Klimaschutz beitragen, so die Referentin. Eine Quantifizierung der Beiträge des Forst-Holz-Sektors zum Klimaschutz hänge von dem betrachteten System, der räumlichen und zeitlichen Skala und dem Vergleich mit Substitutionsprodukten ab.

Susanne Winter vom WWF wies in ihrem Vortrag „Ansätze zu einer ausgewogenen Bioökonomie“ darauf hin, dass die Menschheit bereits sechs der neun planetaren Grenzen überschritten hätte und auf einen nachhaltigen Konsum umschwenken müsse. Beim Holz und Climate-Smart Forestry bedürfe es einer Priorisierung der Holznutzung durch neue Instrumente. Dazu gehören laut der Referentin ein umfassendes Monitoring des Holzverbrauchs, Richtwerte für nachhaltige Verbräuche von Waldholz, Effizienzsteigerungen bei der Holznutzung über Kreislaufwirtschaft, Kaskadennutzung und Recycling, Reduktion des Ressourcenverbrauchs und Langlebigkeit vor Kurzlebigkeit.

In der von Dr. Monika Arzberger moderierten Podiumsdiskussion ging es unter anderem darum, welche Fragestellungen von wissenschaftlicher Seite aus Sicht der Referent:innen noch offen seien, um eine Climate-Smart Forestry zu gestalten. Betont wurden große Unterschiede zwischen Kleinprivatwald und größeren Forstbetrieben bei den Möglichkeiten, eingeschlagenes Holz in die stoffliche Nutzung zu lenken. Angesprochen wurde, dass die stofflichen Nutzungsmöglichkeiten gerade für Laubholz suboptimal sind, weil Sägewerke für Laubholz fehlen. Einigkeit bestand darin, dass die für 2024 erwartete Veröffentlichung der Ergebnisse der Bundeswaldinventur wichtig für die weitere Diskussion sein wird. Der Umgang mit den hohen Fichtenvorräten (etwa 1 Milliarde Kubikmeter in Deutschland) wurde thematisiert und dass bei der zunehmenden Knappheit des Produktionsfaktors Wasser ein Halten des Kohlenstoffvorrates im Wald ein ambitioniertes Ziel sei. Standortspezifische Entscheidungen, die ein vielfältiges Mosaik entstehen lassen, sollten die Basis für eine Climate-Smart Forestry sein.

(Forst)politik und Praxis am Nachmittag

Natalie Hufnagl-Jovy von „Familienbetriebe Land und Forst Bayern e. V.“ eröffnete den Nachmittag mit Ihrem Vortrag zur „Wucht waldpolitischer Entscheidungen auf EU-Ebene“. Sie wies auf die komplexen Strukturen in der EU bezüglich Wald und Forstwirtschaft hin und visualisierte dies mit einem über 50teiligen „Forstpuzzle“. Sie sprach von dem eigentlich in der EU geltenden Subsidiaritätsprinzip und wandte sich gegen Überregulierungen auf EU-Ebene. Zur Bekräftigung zitierte sie mehrfach den ehemaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Junkers: „So we will be big on the big things, small on the small things“; „Ambitious where it counts - more modest elsewhere”; und „Not every problem in Europe is a problem for the European Union”.

Martin Waldhausen vom Referat „Klimaschutz in Land- und Forstwirtschaft, Biomasse“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sprach zur Nationalen Biomassestrategie, die schon weit ausgearbeitet, aber noch nicht veröffentlicht ist. Ausgangslage sei ein begrenztes nachhaltiges Biomassepotenzial, dem eine rasant wachsende Nachfrage gegenüberstehe. Die Strategie enthalte Vorschläge zur Anpassung bestehender politischer Instrumente (Rechtsrahmen, Förderprogramme, Information und Beratung), aber auch Vorschläge für neue Instrumente.

Peter Edeling vom Forstbetrieb Fürst Fugger Babenhausen ging auf die Herausforderungen und Potenziale für Forstbetriebe beim Waldumbau im Klimawandel ein. Als Betriebsleiter strebe er eine dauerwaldartige Bewirtschaftung und eine Multifunktionalität der Wälder an. Um unabhängiger von Holzerlösen zu werden, werde neben klassischen neuen Geschäftsfeldern (Rohstoffabbau, Waldfriedhöfe, erneuerbare Energien) auch der freiwillige Kohlenstoffmarkt zunehmend interessant. Edeling beschrieb Beispiele dafür, wie im eigenen Betrieb CO2-Zertifikate generiert werden. Er wies aber auch darauf hin, dass manche Waldprojekte im Verdacht des „Greenwashing“ stehen, da der Kohlenstoffspeicher im Wald nicht dauerhaft garantiert werden könne und Maßnahmen wie Stilllegungen womöglich gar nicht Climate-Smart Forestry seien.

Abschlussdiskussion

Bei der Abschlussdiskussion wurden unter anderem die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED 3) angesprochen. Dies insbesondere im Zusammenhang mit der zwischenzeitlichen Diskussion auf EU-Ebene, ob Holzenergie zu den erneuerbaren Energien zähle, sowie mit dem Nature Restoration Law (welche Waldgesellschaft genau soll wiederhergestellt werden?). Beim freiwilligen Kohlenstoffmarkt wurde angemerkt, dass Projektierer in der Regel nur Interesse an größeren Forstbetrieben hätten und aufgrund des erhöhten Projektierungsaufwands weniger am Kleinprivatwald. Die Biomassestrategie sollte nicht auf Entscheidungen vor Ort durchschlagen und Kommunen bei Heizwerkslösungen und Forstbetrieben, die unter volatilen Holzpreisen leiden, Freiräume belassen. Synergien mit der Bauwirtschaft sollten gesucht und die Holzbauinitiative der Bundesregierung vorangebracht werden.

Wünsche der Referent:innen für in fünf Jahren waren, dass die EU im Forst- und Holzbereich (wieder) stärker auf Subsidiarität setzt (Jovy-Hufnagl), die Biomassestrategie erfolgreich ist und die enthaltenen Vorschläge für politische Instrumente umgesetzt sind (Waldhausen), sowie dass es wirtschaftlich gesunde Forstbetriebe gibt, die in Nachwuchs bei Bäumen und jungen Forstleuten investieren können (Edeling).

Im Herbst 2025 wird der 34. Weihenstephaner Forsttag stattfinden, Thema und Programm werden in der ersten Jahreshälfte 2025 bekanntgegeben.

  • Menschen in einem steil aufsteigenden Hörsaal
    Auditorium im Hörsaal während der Präsentationen am Vormittag © Anna Kutscher
  • Die Moderatorin und die drei Referent:innen stehen neben weiß verkleideten Stehtischen und diskutieren
    Die Moderatorin Dr. Monika Arzberger bei der Podiumsdiskussion mit den Vortragenden am Vormittag: Dr. Christopher Reyer vom PIK-Potsdam, Gabriele Prof. Dr. Weber-Blaschke vom Lehrstuhl für Holzwissenschaft der TUM und Dr. Susanne Winter vom WWF. © Anna Kutscher
  • Eine Moderatorin und drei Referent:innen stehen vorne im Hörsaal neben weiß verkleideten Stehtischen
    Die Moderatorin Dr. Monika Arzberger bei der Podiumsdiskussion mit den Vortragenden am Nachmittag: Martin Waldhausen, Abteilung Klimaschutz, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Natalie Hufnagl-Jovy, Familienbetriebe Land und Forst e. V. und Peter Edeling Leiter des Forstbetriebs Fürst Fugger Babenhausen. © Anna Kutscher

Ähnliche Beiträge