Zwei Kontinente, zwölf Länder, ein digitaler Seminarraum: Online-Lehre im Postgraduiertenkurs `Foodchains in Agriculture´

  • Datum: 18.05.2020
  • Autor: Christine Dötzer
Versuchsaufbau im Maisfeld

Ein Flug, etwa von Addis Abeba, Ikeja oder Lusaka, dann eine Busfahrt, schließlich Ankunft im mittelfränkischen Hochschulstandort Triesdorf. So hätte Anfang Mai für 25 Masterabsolventinnen und -absolventen aus elf verschiedenen afrikanischen Ländern die Reise gehen sollen. Ihr Plan war, am Campus Triesdorf der HSWT am Postgraduiertenkurs `Food Chains in Agriculture´ teilzunehmen: Fünf Monate praxisnahe Weiterbildung mit Fachleuten aus der Agrarbranche und verwandten Bereichen sowie mit Dozentinnen und Dozenten der HSWT. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer entwickelte vorab eine eigene Projektidee im Agrarbereich, die sie beziehungsweise er nach dem Kurs im Heimatland umsetzen wird.

Die zwölf Frauen und dreizehn Männer hatten sich vorbereitet und alles geplant - und dann blieben die Flugzeuge wegen der Coronavirus-Pandemie am Boden. Auf der anderen Seite des Mittelmeers waren die Dozentinnen und Dozenten sowie das gesamte Team des Postgraduiertenkurses konfrontiert mit der Frage: Wie die Lehre umsetzen, wenn zwischen Hochschule und Lernenden tausende von Kilometern liegen?

Startschuss mit digitaler Lehre

Den Kurs streichen wollte man nicht, denn zum einen hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Arbeits- und Privatleben bereits alles organisiert, um ab Mai für den Kurs verfügbar zu sein und zum anderen sollten sie ihre Projektideen im vorgesehenen Zeitplan umsetzen können. Nachdem die Dozentinnen und Dozenten in den regulären Studiengängen der HSWT in den vergangenen Wochen bereits gute Erfahrungen mit digitalen Lehrformen gemacht hatten, beschloss das Team um Prof. Dr. Ralf Schlauderer, Leiter der HSWT International School, den Postgraduiertenkurs ebenfalls digital zu probieren. Sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmten dem Vorschlag zu. So groß die Enttäuschung darüber war, vorerst nicht wie vorgesehen nach Deutschland reisen zu können, konnte es dank der Online-Lehre nun doch wenigstens mit dem Programm losgehen. Gemeinsam entschied man, die digitale Lehre in den kommenden zwei Monaten zu testen. Wie es danach weitergeht, hängt wie so vieles derzeit von der Entwicklung der Coronavirus-Pandemie ab.

Es läuft gut an

Anfang Mai begrüßten die Projektverantwortlichen an der HSWT, darunter Prof. Dr. Ralf Schlauderer, Dr. Bernd Müller sowie der Vizepräsident für Internationales und Diversity Prof. Dr. Carsten Lorz gemeinsam mit Bärbel Sagi von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Dr. Georg Bokeloh, externer Dozent innerhalb des Programms, die Postgraduierten in einem Livestream. Die Bedenken, dass die Übertragungsqualität wegen mangelnder Internetbandbreite mancherorts zu gering sei, bestätigten sich erfreulicherweise nicht.

In den kommenden Wochen werden zunächst hochschulexterne Dozentinnen und Dozenten von Organisationen, Verbänden und Unternehmen in Liveübertragungen via Videochat ihre Inhalte lehren. Die Online-Seminare werden aufgezeichnet, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sie auch nachträglich jederzeit abrufen können. Darüber hinaus stellt jede und jeder Dozierende Lernmaterialien online zur Verfügung, beispielsweise als vertonte PowerPoint-Präsentation oder in Form von Literaturzusammenstellungen.

"Es ist super, dass es mit den Liveschaltungen klappt", freut sich Dr. Bernd Müller, als Wissenschaftler in der Koordination des Postgraduiertenkurses tätig. Mit dem ein oder anderen Kleinkind im Hintergrund, zeitweise geräuschvolleren Arbeitsumgebungen oder minimalen Verzögerungen in der Tonübertragung seien die Herausforderungen weitestgehend dieselben wie bei vielen anderen Videokonferenzen dieser Tage. "Ganz klar: Es wäre schöner, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort in Triesdorf wären", sagt Müller. "Aber wir finden gemeinsam einen Rhythmus und es beginnt wirklich sehr vielversprechend."

Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommt das alternative Online-Angebot gut an. "Ich schätze die Flexibilität und die Bemühungen des Teams, das Postgraduiertentraining zu ermöglichen", so die Masterabsolventin Yousra Soua aus Tunesien. So sieht es auch die überwiegende Mehrheit ihrer Kommilitoninnen und -kommilitonen. Sorgen machen hier und da wackelige Internetverbindungen oder zeitliche Engpässe durch andere Verpflichtungen, die vor Ort bestehen. Den Beginn des Programms verschieben wollte jedoch niemand - schließlich standen alle schon hochmotiviert in den Startlöchern. Einen Teil des Kurses werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem späteren Zeitpunkt garantiert in Deutschland verbringen. Wann das möglich sein wird, diktiert die Pandemie-Lage.

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Hintergrund Postgraduiertenkurs `Food Chains in Agriculture´ | `Ausbildungspakt mit Afrika´

Der Postgraduiertenkurs `Food Chains in Agriculture´ ist Teil des `Ausbildungspaktes mit Afrika´, zu dem sich mehrere Hochschulen afrikanischer Länder mit der HSWT zusammengeschlossen haben und welcher von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Rahmen des Globalvorhabens „Grüne Innovationszentren in der Agrar- und Ernährungswirtschaft (GIAE) gefördert und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) finanziert wird. Derzeit besteht das Netzwerk aus sechs Partnern und wird stetig erweitert.

Der fünfmonatige Kurs richtet sich an Masterabsolventinnen und -absolventen aus afrikanischen Ländern und wird von 2018 bis 2022 einmal jährlich mit jeweils 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Ziel ist es, landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten in ihrer Komplexität zu verstehen. Darüber hinaus lernen die Studierenden, diese Kenntnisse zusammen mit eigenen Erfahrungen in die Konzeption und das Management von Ketten-Modellen einzubringen. Sie erarbeiten jeweils eigene Projektvorschläge, die sie nach Abschluss des Kurses in ihren Heimatländern umsetzen.

Die Praxisorientierung steht Kurs im Vordergrund, so werden beispielsweise zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe, Institutionen und Unternehmen besichtigt. Nach der Rückkehr in ihre Heimatländer finden die Kursabsolventinnen und -absolventen gemeinsam mit Institutionen der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit Möglichkeiten für die Anwendung ihrer Projektvorschläge. Bei der praktischen Umsetzung werden die besten Teilnehmerinnen und Teilnehmer beispielsweise durch die BayWa Stiftung mit einem Preisgeld unterstützt.