Interviewserie | Studieren für mehr Nachhaltigkeit, Teil 3: Artenvielfalt braucht die Wiese

  • Datum: 15.01.2021
  • Autor: Christine Dötzer
Lena Heilmeier mit Kühen in einem Stall.

In dieser Interviewserie stellen HSWT-Absolventinnen und -Absolventen ihre Bachelor- und Masterarbeiten vor, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Denn die Studiengänge der grünen Hochschule behandeln nachhaltige Themen in vielen Facetten.

Im zweiten Teil ein Gespräch mit Lena Heilmeier, Bachelosabsolventin im Studiengang Landwirtschaft der Fakultät Nachhaltige Agrar- und Energiesysteme.

 

Bitte beschreiben Sie kurz, welches Thema Sie in Ihrer Arbeit behandelt haben:

Ich habe mich mit der pflanzlichen Artenvielfalt auf einem landwirtschaftlich genutzten Dauergrünland beschäftigt. Als Dauergrünland bezeichnet man eine Wiese, auf der Gras, Leguminosen und Kräuter ohne ein Umbrechen der Fläche wachsen. Die Wiese wird in regelmäßigen Abständen für die Futtererzeugung gemäht, dient als Weide oder wird einfach gepflegt, damit sie nicht verwaldet.  

Auf einer ehemals als Acker genutzten Fläche habe ich 35 verschiedene Pflanzenarten neu angesät. Nach zwei Jahren habe ich dann Bilanz gezogen und überprüft, wie gut sich die Arten auf diesem neu geschaffenen Grünland etablieren konnten. Es hat sich herausgestellt, dass die Etablierung der Grünlandmischung erfolgreich war und somit eine artenreiche Wiese geschaffen wurde.   

Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen und warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Pflanzenbau hat mich während des Studiums immer besonders interessiert. Unter anderem habe ich das Wahlfach "Grünland und Futterbau" bei Frau Hofmann belegt, die später meine Betreuerin für die Bachelorarbeit wurde. Mir macht es einfach Spaß, draußen zu sein, die Wiesen zu erkunden und die Pflanzen zu bestimmen. Wiesen mögen sich auf den ersten Blick alle ähneln, aber tatsächlich ist die Pflanzenzusammensetzung immer anders und diese Vielfalt macht es für mich so spannend.

Zudem wollte ich gerne ein Projekt am eigenen Betrieb machen, da ist der persönliche Bezug natürlich nochmal größer. Die Fläche, auf der ich die Pflanzenmischung ausgesät habe, gehört zu unserem Familienbetrieb.

Worin steckt der Nachhaltigkeitsaspekt bei Ihrem Thema?

Artenvielfalt an sich ist ein sehr wichtiger Bestandteil der ökologischen Nachhaltigkeit. Sie ist das "Immunsystem der Erde", wie man so treffend sagt. Gerade wegen des Klimawandels brauchen wir möglichst viele unterschiedliche Pflanzenarten, die sich an verschiedene Umwelteinflüsse angepasst haben.

Erwähnenswert ist auch der CO2-Aspekt: Ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ist Grünland. Würde man es in Ackerfläche umwandeln, würde dabei viel CO2 freigesetzt werden. Natürlich brauchen wir die Äcker, keine Frage, aber besagtes Drittel sollten wir uns als Grünland bewahren.

Glücklicherweise kann man in der entgegensetzten Richtung einen positiven Effekt erzielen: Das Grünland, das ich untersucht habe, liegt im Erdinger Moos. Niedermoorböden speichern viel CO2 - durch die Umnutzung der Fläche zum Acker war dieses Einsparpotenzial rückgängig gemacht worden. Wandelt man den Acker in Grünland um, kann man es zumindest teilweise wiederherstellen.

Es geht aber auch um ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Extensiv genutzte Wiesen müssen für die Landwirtinnen und Landwirte tragbar sein, das kann durch entsprechende staatliche Förderungen erreicht werden. Insbesondere kleinstrukturierte Familienbetriebe sollten unterstützt werden, damit sie bestehen bleiben.

Nach welchen Kriterien wurden die Pflanzenarten ausgewählt, die in der Mischung enthalten waren?

Die Mischung war standortangepasst an das Erdinger Moos und an die Nutzung: Die Wiese wird drei Mal im Jahr geschnitten, gemäß den Brutzeiten der Wiesenbrüter, die sich dort tummeln. Durch die sorgsame Auswahl wollten wir erreichen, dass wir die Pflanzen auch in zehn oder zwanzig Jahren wiederfinden können.

Bei welchen Wiesen bietet sich eine extensive Nutzung im Sinne der Artenvielfalt besonders an und warum ist sie wichtig?

Wiesen in Niedermoorgebieten sind sowieso nicht besonders ertragreich - es bietet sich also an, sie mit staatlicher Unterstützung extensiv zu betreiben. Auch in Vogelschutzgebieten ist eine weniger intensive Bewirtschaftung sinnvoll.

Im Großraum München ist generell schon sehr viel Boden versiegelt, da braucht es naturnahe Nischen. Man sollte Landwirtinnen und Landwirte auch als Landschaftspflegerinnen und -pfleger sehen, die sich um diese Standorte kümmern.

Was wünschen Sie sich vonseiten der Politik, damit die Artenvielfalt in der Landwirtschaft einen höheren Stellenwert bekommt bzw. besser umgesetzt werden kann?

Mittlerweile wird in der Agrarpolitik das meiste auf EU-Ebene entschieden. Ich wünsche mir einen Umbruch: Weniger Zahlungen pro Flächeneinheit, hin zu mehr Förderung für Umweltleistungen. Derzeit erhalten Landwirte einen bestimmten Geldbetrag pro bewirtschaftetem Hektar - was erstmal gut ist, denn dadurch werden sie unterstützt. Meiner Meinung nach sollte man diese Unterstützung aber stärker mit Umweltleistungen verknüpfen und generell nachhaltigere Landnutzungsformen wie den Ökolandbau stärker fördern.

Das würde vor allem auch den kleineren Betrieben guttun, die derzeit gegenüber den großen im Hintertreffen sind, weil sie weniger Fläche bewirtschaften.

Wie werden die Ergebnisse Ihrer Bachelorarbeit nun genutzt werden?

Wir haben sie an die untere Naturschutzbehörde Erding weitergegeben, welche die Mischung finanziert hat. Sollte ich einmal ein Masterstudium aufnehmen, knüpfe ich eventuell in der Masterarbeit an die Ergebnisse an. Gerne können aber auch andere Bachelorandinnen und Bachloranden die Wiese für Studien nutzen - unser Betrieb erhält sie nun so, wie sie ist.

Haben Sie für sich selbst etwas mitgenommen von der Behandlung dieses Themas?

Zum einen ist meine Artenkenntnis deutlich besser geworden. Vor allem die Bestimmung von Gräsern fällt mir durch das intensive Beobachten der vielen verschiedenen Arten in unterschiedlichen Wachstumsphasen inzwischen deutlich leichter.   

Auch die Verbundenheit zu meiner Heimat wurde gefestigt: Klar, viele von uns kennen Fernweh, aber auch hier vor unserer Haustür ist die Natur unglaublich vielfältig und bietet viel zu entdecken.

Gab es bei Ihren Studien Ergebnisse, die Sie überrascht haben oder die besonders hervorstechen?

Für mich war es faszinierend, wie gut sich bestimmte Arten auch ohne Ansaat durchsetzen konnten. Das ist nichts Neues, aber es war toll, mit eigenen Augen zu sehen, wie sich die Natur ihren Weg sucht. Auch interessant war, wie viel Einfluss man durch die Nutzung der Wiese auf die Pflanzenzusammensetzung nehmen kann. Man kann viel beeinflussen, ohne die Wiese umzubrechen oder neue Arten einzusäen.

Was war die größte Herausforderung, vor der Sie im Zuge Ihrer Bachelorarbeit standen und wie haben Sie diese überwunden?

[lacht] Die vielen Gräser bestimmen! Ich wurde aber sehr gut betreut durch Professorin Hofmann, die auch mit mir zur Wiese gefahren ist und mich bei anfänglichen Unsicherheiten bei der Artenbestimmung unterstützt hat.  

Das macht für mich generell die HSWT aus: dass das Studium auch draußen stattfindet, die oder der Prof sich Zeit nimmt, gemeinsam mit den Studierenden in Kleingruppen das Gelernte in der Praxis anzuschauen. Dadurch war ich für meine Bachelorarbeit gut vorbereitet.

Wie ging es für Sie nach dem Bachelorabschluss weiter?

Ich habe bei Naturland, einem Verband für ökologischen Anbau, eine Stelle gefunden. Dort habe ich auch während meines Studiums im Rahmen der Berufsfeldphase ein Praktikum gemacht. Bei der Fachberatung für Naturland bin ich jetzt im Bereich Projekte angestellt und betreue hauptsächlich das Projekt „DemoNet ErBo“ in dem der Anbau von Erbsen und Ackerbohnen auf ausgewählten Demonstrationsbetrieben in ganz Deutschland praktisch und wissenschaftlich begleitet wird.

Planen Sie ein Masterstudium?

Erst einmal möchte ich arbeiten. Aber man kann ja jederzeit wieder ein Studium aufnehmen, also schließe ich einen Master in der Zukunft nicht aus.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, an der HSWT zu studieren?

Der erste Anreiz war für mich das duale Studiengangmodell. Bei vielen Abiturienten ist der Gedanke an eine Ausbildung leider nicht so präsent, viele denken vorrangig in Richtung Studium. Ich finde es gut, dass man an der HSWT beides kombinieren kann und so die Praxis nicht zu kurz kommt.

Ein weiterer Grund war, dass man sich im Studiengang Landwirtschaft auf die ökologische Richtung spezialisieren kann. Das war für mich ein wesentliches Kriterium.

Und dann ist natürlich der Campus in Weihenstephan mit den vielen Gärten sehr idyllisch und Freising eine schöne und vielseitige Stadt.

Wenn mir Nachhaltigkeit am Herzen liegt und ich mich ggf. auch im Berufsleben damit beschäftigen möchte - würden Sie sagen, dass ich dann im Studiengang `Landwirtschaft´ an der Fakultät Nachhaltige Agrar- und Energiesysteme richtig bin?

Ja, weil man eine gute Grundausbildung erhält. Meiner Meinung nach ist bei Nachhaltigkeitsstudiengängen oft das Problem, dass die Inhalte recht weit und damit allgemein gefasst sind. Gerade in einem Bachelorstudiengang finde ich es aber wichtig, eine solide naturwissenschaftliche Grundlage zu bekommen. Und das ist im Studiengang Landwirtschaft am Campus Weihenstephan der HSWT sehr gut umgesetzt. Es ist drin, was draufsteht: Landwirtschaft [lacht]. Näher mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen kann man sich durch verschiedene Wahlfächer, die Spezialisierung auf ökologische Landwirtschaft oder einen entsprechenden Master.

 

  • Kühe beim Heufressen im Stall.
    ...und kommt gut an. (Foto: Lena Heilmeier)
  • Hornklee mit gelber Blüte
    Der Hornklee ist eine der zahlreichen Pflanzenarten auf Heilmeiers Wiese,... (Foto: Lena Heilmeier)
  • Rote Lichnelke mit lilafarbener Blüte
    ... ebenso die rote Lichtnelke. (Foto: Lena Heilmeier)
  • Blühende Wiese
    Die artenreiche Grünlandmischung hat sich gut etabliert - das sieht nicht nur schön aus, wie hier während der Blüte, sondern trägt zum "Immunsystem der Erde" bei. (Foto: Lena Heilmeier)