Die Vegetation städtischer Rückbaufolgelandschaften in Großwohnsiedlungen der 70er und 80er Jahre in Ostdeutschland - Potentiale und Grenzen ihrer Freiraumentwicklung

Promovierende Person
Dr.-Ing. Alexander von Birgelen
Zeitraum
26.02.2009 – 11.03.2014
Wissenschaftlich betreuende Person (HSWT)
Prof. Dr. Swantje Duthweiler
Wissenschaftlich betreuende Person (extern)
Prof. Dr. Norbert Kühn
Technische Universität Berlin

Zusammenfassung

Die Großwohnsiedlungen in der ehemaligen DDR – die so genannten Neubau-(wohn)gebiete – wandelten sich nach der politischen Wende 1989 innerhalb weniger Jahre von einem der beliebtesten und kinderreichsten Wohnstandorte hin zu einem Gebiet mit hohem Wohnungsleerstand. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurden die Wohngebiete zum Experimentierfeld zahlreicher städtebaulicher Umbau-, Rückbau- und Neubaumaßnahmen. Die durch den Rückbau von Gebäuden immer größer werdenden Grünflächen nehmen, besonders in den „schrumpfenden“ Regionen, eine Schlüsselrolle bei der Schaffung wichtiger orientierungs- und identitätsstiftender Funktionen ein. Die ursprünglich vorhandenen Freiraumkonzepte der Großwohnsiedlungen blieben bei den Umgestaltungen jedoch weitgehend unbeachtet. Diesen in weiten Teilen noch unzureichend aufgearbeiteten und für zukünftige Planungsvorhaben wichtigen Grundlagen wird zu Beginn dieser Arbeit nachgegangen. Am Beispiel ausgewählter ostdeutscher Großwohnsiedlungen werden die bestehende Freiflächengliederung, die vegetative Ausstattung und die Umsetzung verschiedener Planungsvorgaben dargelegt. Darauf aufbauend werden die Auswirkungen unterschiedlicher Rückbaumaßnahmen auf die Wohnquartiere untersucht. Die Freiflächen der Wohnfolgelandschaften besitzen infolge verschiedener gärtnerischer Eingriffe eine hohe strukturelle und biotische Vielfalt. Da sich hier verschiedene Herkünfte der Pflanzen treffen (indigene Arten, Neophyten, Kultursorten), lässt sich die daraus entstandene Vegetation als Hybridvegetation beschreiben. Die hohe Eigenart dieser Bereiche geht hier mit einer geringen Anzahl an seltenen oder gefährdeten Arten einher. Um die Bedeutung dieser Flächen im Sinne eines konventionellen Artenschutzes zu erhöhen, ließen sie sich mithilfe gebietseigenen Pflanzenmaterials anreichern. Dieses Konzept ist bislang aber nicht ausreichend praxisgeprüft. Es könnte als Basis für einen gestaltungsorientierten Naturschutz dienen. Hierzu wird im Rahmen dieser Arbeit möglichen strategischen Ausrichtungs- und Gewichtungsfragen im Naturschutz nachgegangen. Große Rasenflächen prägen seit ihrer Entstehung das Erscheinungsbild der Großwohnsiedlungen in Ostdeutschland. Im intakten Wohnumfeld wurden die Rasenflächen intensiv genutzt, häufig sogar übernutzt. Heute dagegen verändern sich mit einer Rasenflächenzunahme, in Folge oben genannter Abrissmaßnahmen, und dem neuen Freizeitverhalten der Anwohner auch die Nutzungsanforderungen an die Rasenflächen. Diese aus Mangel an Alternativlösungen entstandenen großen Rasenflächen stellen jedoch keine zufriedenstellende Lösung im Umgang mit den neu gewonnenen Freiräumen dar. Am Beispiel der Rasenflächen werden im abschießenden Kapitel der Arbeit die gestalterischen und naturschutzfachlichen Potentiale des Bauerwartungslandes vertiefend dargelegt.

Abstract

After the reunification of Germany in 1989 the Large Residential Housings in the former GDR changed within a few years from one of the most popular places for families with children to an area with a high vacancy rate. As a reaction to this development the areas became a field of experimentation for numerous structural measures, such as demolition and conversion and construction. Due to demolition green spaces are arising, especially in the shrinking areas. These play a key role in the creation of important identity-establishing functions and orientation. During the transformation the initial existing free space concepts remained mostly unnoticed. The beginning of this work is concerned with these concepts, which are in most parts still inadequate reappraised, but are a vitally working basis for future planning projects. Using the example of selected East German Large Residential Housings the open space structure, the vegetative fittings and the implementation of different planning projects are shown. On this basis the effect of different interventions on the living quarters will be examined. Due to earlier horticultural influence, unused spaces in shrinking cities offer an enormous amount of structural and biotic diversity. Since plants of different provenance (indigene species, neophytes, cultivars) meet here, this type of vegetation can be described as hybrid vegetation. The very specific character of these areas corresponds with only marginal numbers of rare or endangered species. To increase the importance of those areas for conventional species protection strategies, adding autochthonous plant material can be a possibility to enhance them. So far this concept has not really been field-tested. It might be a useful basis for structural-oriented conservation strategies. But first the appropriate nature conservancy strategy for those areas should be agreed upon. Since their creation large lawns shape the appearance of the Large Residential Housings in East Germany. In the intact residential environment the lawns were characterised by intensive use, often even overuse. Today the usage requirements of lawns change with the leisure activities of the residents as well as an increase in grass areas due to urban restructuring. However, the large lawns resulting from a lack of alternatives constitute an unsatisfactory solution in dealing with the newly found open spaces. By the example of the lawns the potentials regarding design conservation of the short to medium term interim greening of the land earmarked for development are elaborated.