Sabine Grüner-Lempart
  • Thema Verfahrenstechnik, Mess- und Regelungstechnik, Bioreaktionstechnik

Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart

Was fasziniert Sie am Beruf der HAW-Professorin?

Am Beruf der HAW-Professorin gefällt mir vor allem die Arbeit mit jungen Menschen. Wenn es mir dabei gelingt, neben der Vermittlung von Wissen, Studierende für die eigenen Fächer zu begeistern, dann motiviert mich das ungemein. In meinem Fall sind das vor allem technische Fächer wie Verfahrenstechnik oder Bioreaktionstechnik, also sogenannte MINT-Fächer. Wenn ich Absolventinnen und Absolventen erlebe, die in ihrer weiteren akademischen oder beruflichen Laufbahn eine technische Richtung einschlagen, dann weiß ich, dass meine Arbeit Früchte trägt.

An der HSWT wird ein intensiver Kontakt zu den Studierenden gepflegt, den ich sehr schätze. Ich werde nicht nur als fachliche Ansprechpartnerin gesucht, hin und wieder benötigen die Studierenden einen persönlichen Rat oder jemanden zum Reden. Dieser Kontakt ist für mich ein wichtiger Teil meines Berufs als Professorin und zeigt sich auch in meinem Unterricht.

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das „klassische“ Arbeiten mit der Tafel am besten zu mir und meiner Lehre passt, also ein Dreiklang aus Schreiben, Erklären und Zuhören. Die anfängliche Skepsis der Studierenden, die mir immer wieder begegnet, legt sich im Laufe des Semesters, da sie die Vorteile dieses Lernprozesses selbst erleben. Etwas aufzuschreiben oder zu zeichnen, ist der erste Schritt des Lernens, erzeugt Ruhe und nimmt die Geschwindigkeit aus dem Lernprozess; die gemeinsame Arbeitsatmosphäre, die dadurch erzeugt wird, ist sehr angenehm für alle Beteiligten. Besonders bereichernd ist für mich, dass ich als Professorin immer die Möglichkeit habe, neue Dinge auszuprobieren und mich damit persönlich zu entfalten. Dies reicht von der Möglichkeit, neue Vorlesungen zu entwickeln, durch Gremienarbeit die Hochschule mitzugestalten, über Forschungsaktivitäten bis hin zu internationalen Kooperationen. Der Blumenstrauß an Möglichkeiten ist an der HSWT deutlich farbenfroher als ich es aus der Industrie kenne. Dort waren die Tätigkeiten eher zweck- und termingebunden und die Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt.

Was schätzen Sie an der HSWT besonders?

Die HSWT ist eine kleine, eher familiäre Hochschule mit einem einladenden, grünen Campus. Die zahlreichen Gärten nutze ich sehr gerne in den Pausen als Begegnungsort mit anderen Mitgliedern der Hochschule oder für Besprechungen. Die Überschaubarkeit der HSWT erlaubt es, dass die Anonymität einer Hochschule in kurzer Zeit verfliegt und die vielen Namen Gesichter bekommen. Man wird sehr schnell ein Teil dieser Hochschule.

Fachlich gefällt mir vor allem, dass der Schwerpunkt der HSWT der Ingenieurausbildung gehört und die vorhandenen Studiengänge ein „grünes“ Profil schaffen. Das ist sicher einzigartig.

Außerdem schätze ich die exzellente Infra- und Netzwerkstruktur. Hier sind vor allem der gemeinsame Campus mit der Technischen Universität München, der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung zu nennen. Die Wege sind kurz und die Türen stehen offen – die besten Voraussetzungen für eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit, insbesondere in der Forschung.

Was war Ihr persönlicher Weg zur HAW-Professur? Wo haben Sie Praxiserfahrung außerhalb der Hochschule gesammelt?

Ich habe an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen Chemieingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Technische Chemie studiert und in Kooperation mit der Industrie promoviert. Anschließend war ich 11 Jahre in der Lebensmittelindustrie in der technischen Forschung tätig, zunächst viele Jahre bei einem mittelständischen Unternehmen in Deutschland und dann bei einem Weltkonzern in der Schweiz. Daraus entstand ein Erfahrungsschatz, den ich heute nicht missen möchte und den ich gerne weitergebe.

Die Vermittlung von Wissen durch Vorträge, Vorlesungen oder Schulungen begleitet mich schon mein ganzes Berufsleben. Bevor ich die Professur an der HSWT angetreten habe, war ich viele Jahre als Lehrbeauftragte tätig und bekam die Gelegenheit, nebenberuflich eine Ausbildung zur Hochschullehrerin bei der Carl von Linde-Akademie zu absolvieren. Rückblickend war dies eine sehr wertvolle Vorbereitung auf den Beruf als Professorin. Neben einem umfangreichen theoretischen Wissen hatte ich die Möglichkeit unterschiedliche Lehr- und Lernmethoden kennenzulernen und selbst zu erleben.

Die Möglichkeiten, sich als Professorin der HSWT zu entfalten, konnte ich bereits in vielerlei Hinsicht nutzen. Besonders freut mich, dass es mir gelungen ist, wieder intensiv in die anwendungsorientierte Forschung einzusteigen.  Seit Oktober 2021 habe ich die Forschungsprofessur „Sustainable Bioengineering“ inne und leite eine eigene Forschungsgruppe. Wir beschäftigen uns mit dem Einsatz von Mikroorganismen in technischen Anwendungen und mit der Entwicklung von umweltfreundlichen, nachhaltigen Verfahren.

Welche Herausforderungen haben Sie während Ihrer Zeit als Professorin erfolgreich gemeistert?

Da denke ich zuerst an den „Kulturschock“, der meinen Wechsel aus der Industrie in den Öffentlichen Dienst begleitet hat. In der Industrie sind schnelle und pragmatische Entscheidungen gefragt, das Ziel steht im Vordergrund – im Öffentlichen Dienst sind die Entscheidungswege dagegen stark formalisiert, mehrstufig und langwierig. An diese Umstellung musste ich mich erst gewöhnen.

Eine weitere Herausforderung ist das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Während meiner Industrietätigkeit war das nie ein Problem. Home-Office, familienfreundliche Termin- und Arbeitszeitgestaltung waren dort schon lange Realität und kein Diskussionsthema. An der Hochschule ist es deutlich schwieriger den Arbeitsalltag als engagierte Professorin mit einem Familienleben und Kind zu vereinbaren. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass es hilft, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, Probleme klar anzusprechen und nach Lösungen zu suchen.

Was ist Ihre wichtigste Empfehlung an Frauen, die sich für dieses Berufsbild interessieren?

Wichtig ist vor allem, ein gesundes Vertrauen in den eigenen Lebensweg zu setzen. Es ist nicht immer hilfreich, sich ambitionierte Ziele zu setzen und diese krampfhaft zu verfolgen. Vieles ist nicht planbar und manchmal kommen Chancen ganz unerwartet. Diese zu erkennen und passende Gelegenheiten zu nutzen, das ist wichtig. Ich empfehle daher, sich auch mal treiben zu lassen, Dinge auszuprobieren, die Spaß machen und sich selbst Rückschläge und Fehler zu erlauben.

Und nicht zuletzt: Es geht beim Beruf der HAW-Professorin ja auch darum, Wissen in die Anwendung zu bringen.

Daher lasse ich mich gerne von Goethe inspirieren: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“