• Laufzeit: 01.09.2023 – 28.02.2026
  • Schwerpunkt: Weitere Forschungsfelder

Sichere Rinderhaltung - Fokus Bullenbox, Abkalbung und Verbringen von Rindern

Spezielle Bullenboxen mit direkter Herdennähe sollen eine tiergerechte Haltung bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitssicherheit ermöglichen. Der sichere Umgang mit den Tieren steht dabei im Vordergrund, aber die Separation des Bullen bedeutet eine große Umstellung für den Betrieb. Für die Brunstbeobachtung und das Treiben der als brünstig entdeckten Kühe müssen Arbeitskräfte eingerechnet bzw. Investitionen getätigt werden. Für die Compliance der Landwirt:innen und als ein Ziel dieses Projekts ist daher eine praktikable Integration in den Betriebsablauf mit effizienten Zu- und Abtriebsystemen der Kühe zu entwickeln.

Ein weiteres Ziel ist es, konkrete und vor allem in der Praxis bereits gelebte Ansätze zur Stressreduktion und zur Arbeitssicherheit beim Verbringen von Rindern in der täglichen Praxis zu erfassen (innovative Treibesysteme, Low-Stress-Stockmanship Umsetzungen, bauliche Maßnahmen die auf die Sinnesphysiologie der Rinder eingehen, sichere Abkalbelinie, …). Darausfolgend soll ein webbasiertes Kompendium erstellt werden, das Landwirt:innen dazu einladen soll, passende Vorschläge für den eigenen Betrieb bequem, zeitsparend und mit niedriger Hemmschwelle zu finden. Alles soll anschaulich mit entsprechendem Bild- und Videomaterial hinterlegt werden.

Hintergrund des Projekts

Stress, Müdigkeit und Zeitdruck sind in der Rinderhaltung wiederkehrende Gegebenheiten und gleichzeitig Risikofaktoren für Unfälle, insbesondere im Umgang mit den Tieren. Dabei sind bestimmte Risikomomente als besonders kritisch hervorzuheben.

Vorhabenbeschreibung

Teilvorhaben 1: Sichere Bullenbox

Stetig wachsende Herdengrößen und verkürzte Brunstphasen bei zunehmender Arbeitszeitknappheit lassen zunehmend Milchviehhalter auf „Altbewährtes“ wie den Natursprung (NS) zurückgreifen. Hierdurch sowie im Zuge der fortschreitenden Automatisierung (Spaltenschieber, Fütterungs- und Melkroboter) verringert sich die aktive Mensch-Tier-Interaktion, denn in der Herde mitlaufende Bullen übernehmen die Brunstbeobachtung und die Besamung der Kühe. Frei mitlaufende Deckbullen können jedoch nachweislich gefährlich für Mitarbeitende und am Betrieb tätige externe Personen sein.

Teilvorhaben 2: Sichere Abkalbelinie und sicheres Verbringen

Neben der Deckbullenhaltung lassen sich weitere Risikomomente in der Rinderhaltung identifizieren. Im Zusammenhang mit der Geburt kann man sich nicht auf das bekannte Wesen der Kühe verlassen, im peripartalen Zeitraum können mütterliche Schutzinstinkte zu Angriffen führen. In einigen Betrieben werden bereits bauliche Maßnahmen zum sicheren Arbeiten am neugeborenen Kalb eingesetzt, beispielsweise die Durchführung der Nabeltoilette, das Applizieren von Atemstimulanzien oder das Einziehen der Ohrenmarken. Dies geschieht dort unter sicherer Abtrennung der Kuh, jedoch unter Ermöglichung von einem direkten Kuh-Kalb-Kontakt mit reziprok positiven Effekten. Um unterschiedlichen Betriebsstrukturen Rechnung zu tragen, ist hierbei die Einbeziehung verschiedener Möglichkeiten der baulichen Umsetzung notwendig.

Ein weiterer Risikomoment im Umgang mit Rindern ist das Verladen bzw. Verbringen. Daher soll im vorliegenden Projekt auch in diesem Bereich die Arbeitssicherheit verbessert werden, denn durch die zunehmende Automatisierung (Spaltenschieber, Fütterungs- und Melkroboter) und den Einsatz von Deckbullen verringert sich zunehmend die aktive Mensch-Tier-Interaktion. Besondere Risikomomente entstehen darüber hinaus beim Treiben der Tiere zum Umstallen (Trockenstellen, Leistungsgruppen, …), bei zusätzlichem Handling (Klauenpflege, tierärztliche Behandlungen) oder bei der Selektion von Tieren zum Transport (Verbringung zur Schlachtung, Klinik oder auf eine andere Betriebsstätte).

Zielsetzungen

Ziele Teilvorhaben 1: Sichere Bullenbox

Spezielle Bullenboxen mit direkter Herdennähe sollen deshalb eine tiergerechte Haltung bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitssicherheit ermöglichen. Der sichere Umgang mit den Tieren steht dabei im Vordergrund, aber die Separation des Bullen bedeutet eine große Umstellung für den Betrieb. Für die Brunstbeobachtung und das Treiben der als brünstig entdeckten Kühe müssen Arbeitskräfte eingerechnet bzw. Investitionen getätigt werden. Für die Compliance der Landwirt:innen ist daher eine praktikable Integration in den Betriebsablauf mit effizienten Zu- und Abtriebsystemen der Kühe erforderlich.

Teilvorhaben 2: Sichere Abkalbelinie und sicheres Verbringen

Ziel ist es, konkrete und vor allem in der Praxis bereits gelebte Ansätze zur Stressreduktion und zur Arbeitssicherheit beim Verbringen von Rindern in der täglichen Praxis zu erfassen (innovative Treibesysteme, Low-Stress-Stockmanship Umsetzungen, bauliche Maßnahmen die auf die Sinnesphysiologie der Rinder eingehen, Sichere Abkalbelinie…). Folgend soll ein webbasiertes Kompendium erstellt werden, das Landwirt:innen dazu einladen soll, passende Vorschläge für den eigenen Betrieb bequem, zeitsparend und mit niedriger Hemmschwelle zu finden. Alles soll anschaulich mit entsprechendem Bild- und Videomaterial hinterlegt werden.

Herausforderungen

Teilvorhaben 1: Sichere Bullenbox

Insbesondere bestehen aber aktuell noch Sicherheitsrisiken innerhalb der täglichen Arbeitsroutine mit Deckbullen. Das System einer Zwei-Raum-Bullenbox, bei der der Bulle entweder im zweiten Bereich der Bullenbox separiert oder in einem Fangfressgitter fixiert wird, bevor die Landwirt:innen die Box mit der brünstigen Kuh betreten, ist stark abhängig von der Kooperationsbereitschaft des Bullen! Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewöhnung des Bullen an Mensch-Tier-Interaktionen durch die Separierung verringert wird. Lässt dieser sich nicht einsperren, bedeutet das zusätzliche Arbeit und vor allem Zeitverluste, was Landwirt:innen dazu verleitet, Risiken beim Zu- und Abtrieb der Kühe einzugehen.

Des Weiteren besteht die Notwendigkeit, brünstige Kühe durch den Stall zu treiben, welche jedoch bevorzugt von anderen Kühen in der Vorbrunst besprungen werden. Auch dies hat Auswirkungen auf die Sicherheit des treibenden Landwirts. Durch eine Beeinflussung und Nutzung des speziellen Tierverhaltens brünstiger Kühe könnten jedoch risikobehaftete Arbeitsschritte im Fruchtbarkeitsmanagement mit einer herdennahen Bullenbox automatisiert werden.

Teilvorhaben 2: Sichere Abkalbelinie und sicheres Verbringen

In den Bereichen „sichere Abkalbelinie“ sowie „sicheres Verbringen und Verladen“ existieren bereits umfassende Forschungsergebnisse zum Tierverhalten dessen Beeinflussungsmöglichkeiten sowie geschickte bauliche Lösungen. In den Betrieben lässt sich jedoch nur eine zögerliche Umsetzung dieses Wissens in die Praxis beobachten: Die Tiere werden getrieben „wie es immer schon gemacht wurde“. Oftmals fehlt auch die Zeit, sich eigeninitiativ mit Arbeitssicherheit und dem stressfreien Umgang mit den Tieren auseinanderzusetzen.

Vorgehensweise

Teilvorhaben 1: Sichere Bullenbox

Mit Hilfe eines Zwei-Wege-Selektionstores mit Schließbügel und bestimmten Anreizen für die Nähe zum Bullen suchende brünstige Kuh sollen in diesem Forschungsprojekt Teilautomatisierungen beim Zu- und Abtrieb zur Deckbullenbox entwickelt werden, die ein regelmäßiges Betreten der Box durch den Landwirt obsolet machen würden.

Teilvorhaben 2: Sichere Abkalbelinie und sicheres Verbringen

In Praxisbetrieben sollen Anpassungen zur Stressreduktion und Arbeitssicherheit im Umgang mit den Tieren erarbeitet, umgesetzt, evaluiert und daraus eine Beispielmappe mit möglichen Umsetzungen in der Praxis für Landwirt:innen erstellt werden. Landwirt:innen und weitere relevante Berufsgruppen (Tierärzt:innen, Klauenpfleger:innen, Tiertransporteur:innen, …) sollen die Beispielsmappe und das Online-Kompendium anschließend in einem Evaluierungsprozess bewerten und somit zur Qualitätssicherung beitragen.

Vorläufige Ergebnisse

Teilvorhaben 2: Sichere Abkalbelinie und sicheres Verbringen, Stand 01-2025
Auf einen Aufruf Anfang 2024 hin, haben sich zahlreiche Praxisbetriebe gemeldet, die bei dem Projekt mitwirken wollten. Inhaltlich geht es bei diesen Betrieben überwiegend um die „Klassiker“: Austrieb zum Verladen, Zutrieb zum Behandlungs-/Klauenstand – im Stall oder auf der Weide, sowie die sichere Abkalbung. Die Besuche der Betriebe und die Erstellung von Vorschlägen für Anpassungen zur Stressreduktion in der Arbeit mit Rindern dauern noch an und werden noch bis Anfang 2026 andauern. Aus den bisherigen Betriebsbesuchen und den dort geführten Gesprächen haben wir jedoch bereits eine neuartige Treibehilfe entwickelt, welche für eine Vielzahl an Betrieben interessant sein kann und in verschiedenen Situationen bei der Arbeit mit den Tieren unterstützen kann.
Das Prinzip der Treibehilfe basiert auf der Sinneswahrnehmung der Rinder. Sind sie mit einem Sichtschutz konfrontiert, durch den sie nicht durchsehen können, interpretieren sie diesen Sichtschutz als feste Wand, auch wenn dieser eigentlich nur aus einem dünnen Stoff besteht (vgl. Treibepaddel und -bretter bei Schweinen) und versuchen nicht durchzubrechen. Gerade für Situationen, wenn keine umfangreiche Anlagentechnik möglich ist, kann diese Eigenart effektiv in Form eines flexiblen Sichtschutzes genutzt werden. Dadurch kann der direkte Tierkontakt und der Einsatz anderer Treibhilfen reduziert werden, um Stress für die Tiere zu reduzieren und die Arbeit sicherer zu gestalten. Gängige Panele aus Metallrohren im Stall einzusetzen ist umständlich, zudem sind diese von festgelegter Länge, sodass keine flexible Raumeinschränkung möglich ist. Der vermeintliche Vorteil der Undurchdringlichkeit eines stabilen Panels ist auch nicht zwingend gegeben, da die Stabilität von der beidseitigen Fixierung des Panels abhängig ist, was nicht in jeder Situation umsetzbar ist. Der flexible Sichtschutz besteht dagegen aus einem dünnen, aber blickdichten Stoff, welcher auf einer Trommel aufgerollt ist. Diese Trommel ist durch eine Feder auf Zug gehalten, sodass sich der Stoff nach Auszug auf Spannung hält und sich einfach wieder zurückziehen lassen kann, wodurch eine hohe Flexibilität in der Länge des Sichtschutzes erzielt wird. An das Gehäuse der Trommel, sowie an den Handgriff zum Auszug des Stoffs wurden Haken bzw. Karabiner angebracht, sodass das Gerät im Stall flexibel in die Aufstallung eingehängt und somit fixiert werden kann (siehe Abb. 1 und 2).

Abbildung 1: Selektion einer Mutterkuh mit Hilfe des flexiblen Sichtschutzes. Das Gerät wurde in die Aufstallung eingehängt und ausgezogen. Damit wurde der verfügbare Raum für die Tiere eingeschränkt. Dem gesuchten Rind (weiße Galloway-Kuh (*), mit Kopf am rechten Rand zu sehen) wurde durch Einziehen des Sichtschutzes (+) Platz gemacht, während die restlichen Kühe (#) kontrolliert zurückgehalten wurden.
Abbildung 2: Einsatz des Sichtschutzes zum Austrieb von Mastbullen im Bayerischen Staatsgut Grub. Durch den Sichtschutz lässt sich der verfügbare Raum für die Rinder flexibel kontrollieren, ohne dass sie versuchen durchzubrechen. Der Mensch, halb verdeckt durch den Sichtschutz, wird von den Bullen nicht als Bedrohung wahrgenommen und wird nicht herausgefordert.

Das Funktionsprinzip des Sichtschutzes wurde in verschiedenen Szenarien auf Praxisbetrieben, im Rahmen von durchzuführenden Arbeiten mit den Tieren, vorab getestet (siehe untenstehende Videos):

  1. Selektion einzelner Kühe zur Behandlung bzw. Trächtigkeitskontrolle in einer gemischten Mutterkuhherde, bzw. einzelner Kälber zum Einziehen von Ohrmarken
  2. Zutrieb einer Galloway Mutterkuhherde zum Ziehen von Blutproben im Rondell aus Weidepanelen
  3. Selektion eines Mastbullen
  4. Austrieb von Mastbullen aus der Ein- oder Zweiflächenbucht
Zusammenschnitt Einsatz des flexiblen Sichtschutzes beim Austrieb von Mastbullen
Zusammenschnitt Einsatz des flexiblen Sichtschutzes in diversen Situationen

Generelle Hinweise:

Þ Kein physischer Schutz – wachsam bleiben, zu Zweit arbeiten! Gewöhnungseffekt bei den Rindern bedenken! Beim wiederholten Arbeiten mit den gleichen Mastbullen begannen einzelne Bullen den Sichtschutz zu hinterfragen. Tier individuelle Reaktionen auf den Sichtschutz sind möglich!

Þ Sichtschutz seitlich halten und mit ständiger Sicht auf die Tiere! Rückwärtsgehende Rinder oder Rinder die von anderen weggedrückt werden, können den Sichtschutz eindrücken.

Þ Bei wiederkehrenden Tätigkeiten an gleichbleibenden Orten klare Empfehlung hin zu Ergänzung zusätzlich zu einer festen Bauweise (flexible Sichtschutz-Anbringung an Teleskop-/Schwunggatter). Bspw. Austrieb aus letzter Bucht im Mastbullenstall.

Þ Funktionsverlust bei rückwärtsgehenden Kühen. Zum Weitertreiben in einem abgerundeten Eintreibebogen nur bedingt anwendbar.

Der flexible Sichtschutz soll nun weiterführend bei weiteren Praxisbetrieben angewandt werden. Die Mastbullenaustriebe in Grub werden zudem wissenschaftlich begleitet, wobei Austriebe mit und ohne den flexiblen Sichtschutz miteinader verglichen werden. Die Ergebnisse werden in der Folge unter anderem hier veröffentlicht werden. Ein Gebrauchsmuster wurde beim Patentamt angemeldet.

Publikationen

Projektleitung HSWT

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