• Laufzeit: 01.08.2020 – 31.12.2026
  • Schwerpunkt: Landnutzung

Zweinutzungshühner im Ökolandbau – Zucht und Potentialermittlung geeigneter Herkünfte sowie Umsetzung in die Praxis (Oeko2Huhn)

  • Verbundprojektleitung: Prof. Dr. Bernhard Hörning

Hintergrund und Motivation

Bis Ende des 19. Jahrhunderts lag die Hühnerzucht noch ausschließlich in den Händen der Rassegeflügelzüchter. Dabei entstanden legebetonte Rassen, Rassen mit einem guten Fleischansatzvermögen sowie sogenannte Zwiehuhnrassen (Zweinutzungsrassen), bei denen gute Legetätigkeit mit akzeptablem Wachstum verknüpft waren. Mit zunehmender Nachfrage nach Eiern und Geflügelfleisch entwickelte sich dann Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Basis des Rassegeflügels die Wirtschaftsgeflügelzucht, um leistungsfähige Genotypen für die Eier- und Geflügelfleischerzeugung zu züchten. Hierbei zeigte sich bald, dass auf Grund der negativen genetischen Korrelation zwischen Reproduktionsleistung und Wachstum mit Zweinutzungsgenotypen keine deutlichen Steigerungen in diesen Leistungsrichtungen zu erreichen sind. Entsprechend wurde die Zuchtarbeit in der Wirtschaftsgeflügelzucht schon früh sehr einseitig entweder auf Eiererzeugung oder auf Muskelfleischansatz ausgerichtet, wodurch hohe Zuchtfortschritte zwischen den Generationen ermöglicht wurden. Dieser Prozess wurde durch die Einführung populationsgenetischer Verfahren und die Etablierung der Hybridzüchtung wesentlich beschleunigt

Seit Jahrzehnten dominiert bei Hühnern die Hybridzucht (Näheres z. B. bei Muir & Aggrey 2003, Flock et al. 2008, Preisinger 2019) in getrennten Linien für die Fleisch- bzw. Eiererzeugung (Mast- bzw. Legehybriden). Aufgrund des sehr hohen züchterischen Aufwands sind weltweit nur wenige Unternehmen tätig, welche jeweils ausschließlich bestimmte Anpaarungen als Zuchtprodukte anbieten. Die von den Zuchtunternehmen erfassten Leistungsmerkmale und deren Bewertung im Selektionsindex (Zuchtwertschätzung) sind für Außenstehende weitgehend unbekannt und damit ihre Ausrichtung hinsichtlich für den Ökolandbau relevanter Parameter. Die Zuchttiere werden häufig in Einzelkäfigen gehalten und mit konventionellem Futter (hohe Nährstoffkonzentration und –verdaulichkeit) gefüttert. Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus (Damme & Hildebrand 2015) werden neben der Fütterung als dadurch bedingte Probleme angesehen. So kann den Hinweisen aus der Bio-Verordnung „bestimmte Gesundheitsprobleme, die für intensiv gehaltene Linien typisch sind, sollen vermieden werden“ und dass „einheimischen Rassen oder Linien der Vorzug zu geben“ ist (EG Nr. 889/2008, Art. 8 Abs. 1) kaum Rechnung getragen werden.

Eine problematische Konsequenz der spezialisierten Zucht ist das Kükentöten. Alternativen sind neben der Geschlechtsbestimmung im Ei die Bruderhahnmast und die Haltung von Zweinutzungshühnern (Hörning & Kaiser 2019).

Zweinutzungshühner eignen sich sowohl für Eier- als auch für die Fleischerzeugung. Die Leistungen liegen jedoch z. T. deutlich unter den konventionellen Mast- und Legehybriden. Die Zucht von Zweinutzungsherkünften erscheint als die am besten kompatible Lösung mit den Grundsätzen des Ökologischen Landbaus, da bei der Geschlechtsbestimmung im Ei die Problematik fortbesteht, dass ein Geschlecht unerwünscht ist, was prinzipiell auch für die Bruderhahnmast gilt. Zwar ist aufgrund der geringeren Leistungen ein höherer Futteraufwand erforderlich, allerdings kann die Nährstoffkonzentration geringer sein. Daher könnten im Ökolandbau problematische Eiweißkomponenten wie Soja-, Sonnenblumen oder Sesamkuchen ersetzt werden. Dem Ressourcenargument stehen ferner positive Nachhaltigkeitsaspekte in anderen Indikatoren wie z. B. eine potentiell höhere ökonomische Resilienz durch die Zucht in bäuerlicher Hand sowie tierethische Überlegungen (kein Aussondern unerwünschter Geschlechter) gegenüber.

Hühnerrassen mit guten Lege- und Fleischleistungen wurden schon früh als „Zwiehühner“ bezeichnet. Eine einheitliche Definition und Einordnung der Rassen besteht jedoch nicht. In den letzten Jahren wurde das Leistungspotenzial verschiedener Zweinutzungsherkünfte untersucht, sowohl unter konventionellen, wie auch unter Biobedingungen (vgl. 2.1.3 Herkunftsvergleiche), i.d.R. jedoch im Versuchsmaßstab mit kleinen Gruppen. Auswertungen von Leistungsmerkmalen aus der Praxis liegen nur begrenzt vor (zumal unter Biobedingungen) und nur exemplarisch für wenige Herkünfte.

Züchtung ist gekennzeichnet durch einen stetigen, langfristigen Prozess und erfordert sorgfältige Auswahl der Tiere. Die Kombination von Reinzucht und Kreuzungszucht wie bei der Ökologische Tierzucht gGmbH bietet im Vergleich zur Reinzucht allein schnellere Leistungssteigerungen sowohl im Mast- als auch im Legebereich. Durch Selektion innerhalb der Ausgangslinien wird hingegen langsam, aber stetig deren Potenzial verbessert. Züchterische Maßnahmen wie Leistungserfassung und Zuchtwertschätzung für die einzelnen Merkmale sowie die gezielte Anpaarung auf der Basis der Zuchtwerte sind wichtige Schritte innerhalb eines Zuchtprogramms.

Bei einigen Praktikern finden diese Experimentallinien bereits großes Interesse. Es treten darum nun Fragen zu speziellen Erfordernissen hinsichtlich Management und Fütterung der Tiere auf. Um eine zuverlässige Datenlage für die Praxis zu schaffen, sind umfangreiche Untersuchungen zu den Potenzialen, sowie Risiko- und Managementfaktoren (Fleischqualität, Eigewichte, Fütterung) sowie die weitere züchterische Bearbeitung der Ausgangslinien notwendig. Einerseits können damit bestehende Leistungen aufrechterhalten und andererseits andere positive Merkmale stetig verbessert bzw. negative Merkmale verdrängt werden.

Gesamtziel des Verbundvorhabens

Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist es, den Ansatz der Zweinutzung von Hühnern im ökologischen Landbau weiterzuentwickeln.

Die weitreichenden Probleme der einseitig ausgerichteten konventionellen Basiszucht bleiben nach wie vor bestehen. Um den verschiedenen Erzeugerstrukturen und Ansprüchen der Branche bestmöglich gerecht zu werden, sollen in diesem Vorhaben Ansätze im Bereich ökologische Kreuzungszucht und der Zucht von Rassehühnern verfolgt werden. Dabei steht im Fokus immer eine mögliche Zweinutzung. Die Tierzucht im Ökolandbau befindet sich noch im Aufbau. Bis heute nutzen die meisten ökologischen Betriebe Legehennen und Mastgeflügel, die für den konventionellen Landbau gezüchtet wurden. Dabei fordert die EU Öko-Verordnung eine Adaption der Herkünfte an den ökologischen Landbau. Unterschiedliche Haltungsumwelten beider Systeme stellen andere Ansprüche an das Huhn. Die Folge ist, dass konventionell gezüchtete Hühner schlechter auf Öko-Betrieben zurechtkommen. Aus diesem Grund ist eine unabhängige ökologische Züchtung mit angepassten Selektionsmerkmalen erforderlich. Hierbei spielt eine praxisnahe Selektionsumwelt wie die Züchtung ohne Einzeltierkäfige und eine 100%ige Bio-Fütterung der Zuchttiere eine entscheidende Rolle. Auf dieser Grundlage können durch kontinuierliche Zuchtarbeit robuste und für beide Produktionsrichtungen (Eier und Fleisch) geeignete Tiere selektiert und der Praxis zugänglich gemacht werden.

Zentrale Arbeitsziele

  • Ziel 1: Weiterentwicklung der ökologischen Kreuzungszucht
  • Ziel 2: Erste Analysen zur Wirtschaftlichkeit des Zweinutzungsansatzes durch Herkunftsvergleiche (Kreuzungen, Rassehühner)
  • Ziel 3: Etablierung einer regionalen Geflügelrasse im Zweinutzungsansatz durch Praxisbeispiel Sundheimer Huhn

 

Teilprojekt der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT)

An der Professur Tierwissenschaften in der ökologischen Landwirtschaft auf dem Campus Triesdorf erfolgen die zum Arbeitsziel 3 zählende Leistungsprüfung, der Aufbau einer Zuchtpopulation sowie die Verstetigung des Sundheimer Zweinutzungshuhns als regionale Rasse (Sundheimer) in der Praxis. Auf Prüfstationen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und der Universität Hohenheim (UHOH) werden Leistungsparameter der männlichen Tiere (Mast- und Schlachtleistung) sowie der weiblichen Tiere (Legeleistung) erfasst. Basierend auf diesen Daten erfolgt die Entwicklung eines Zuchtzieles für geeignete Merkmale, die Integration derselben in einen Selektionsindex mit entsprechender ökonomischer Gewichtung und die Selektion der Founder-Tiere. Aus diesen soll eine Zuchtpopulation von ca. 500 Tieren aufgebaut werden, welche in ihrer Leistung moderat weiterentwickelt werden soll, ohne rassetypische Alleinstellungsmerkmale des Sundheimer Zweinutzungshuhns zu verlieren. Parallel sollen Zucht-, Leistungsprüfungs-, Brut- und Vermehrungskapazitäten mit Hilfe von Verbänden und den Projektpartnern in der Praxis etabliert werden.

Vorgehensweise

Arbeitsplan 1: Projektkoordination

Neben der Berichterstellung, der Organisation von Workshops, internen Arbeitstreffen und sonstigen organisatorischen Aufgaben wird in diesem Arbeitspaket insbesondere die Koordination der einzelnen Arbeitspakete (AP) vorgenommen. Da die einzelnen APs eng ineinander greifende Elemente beinhalten, ist hier eine koordinierte Abstimmung erforderlich. Dies soll außerdem die planmäßige Durchführung der Teilaufgaben sicherstellen. Ebenso soll durch die Koordinationsstelle eine enge Verknüpfung zu anderen Vorhaben, sowie die Abstimmung mit einem Expertenbeirat aus Vertretern aus Wissenschaft und Verbänden sichergestellt werden. Die Projektleitung der Bioland Beratung GmbH (BBG) stellt durch ihre Arbeit im Verbund Ökologische Praxisforschung (V.Ö.P.) eine enge Vernetzung mit den anderen Anbauverbänden Naturland und Demeter und damit den Wissensaustausch mit dem deutschen Ökosektor sicher. Außerdem vertritt sie das Projekt nach außen.

Arbeitsplan 2: Ökologische Kreuzungszucht

Hierbei geht es um Zuchtplanung, Zuchttierhaltung, regelmäßigen Austausch zwischen Zucht und Praxis und die Erhebung von Daten.

Arbeitsplan 3: Herkunftsvergleiche

In zwei Versuchsjahren werden Tiere auf 30 Legehennen- und 15 Mastbetrieben geprüft (→ 60 Legehennen- und 30 Mastdurchgänge). Jeder Betrieb wird zweimal je Durchgang angefahren. Bei den Betriebsbesuchen werden folgende Daten aufgenommen sowohl auf Mast- als auch auf Legehennenbetrieben:

● Übergabeprotokoll bei der Einstallung
● Leistungen der Tiere (Aufzeichnungen der Betriebsleiter, s.u.)
● Scan Sampling Tierverhalten; stündlich zwischen 13 und 18 Uhr
● Sozialverhalten: Continous Behaviour Sampling am Trog und auf den Sitzstangen
● Verhaltenstests (Avoidance-, Novel-Object-Test)
● Qualitative Behaviour Assessment (vgl. Welfare Quality)
● Tierbonituren (nach MTool) und Wiegungen bei mindestens 50, maximal 100 Tieren je Gruppe (je nach Bestandsgröße)
● Welfare-Haltungskriterien (Bestandsdichte, Qualität Einstreu, Stallluft (Staub, Helligkeit und Ammoniakkonzentration)
● Analyse von Kotproben auf Parasiten

Arbeitsplan 4: Praxisbeispiel Sundheimer

Die Leistungsfähigkeit des Sundheimer Huhns wurde neben der Standardrassebeschreibung (BDRG, 2007) bereits in diversen Studien und Rassevergleichen, z. B. am Wissenschaftlichen Geflügelhof des BDRG in Rommerskirchen (Weigend, 2008; TGRDEU, o.J.; Dorn & Reis, 2014; Tiemann et al., 2018) ermittelt. Verfügbare Leistungsdaten der Rasse einzelner Züchter in aus Baden-Württemberg weisen eine hohe Varianz einzelner Parameter auf. Darauf basierend sinkt sowohl die Vergleichbarkeit als auch die Belastbarkeit der Daten, insbesondere von denen der Rassegeflügelzüchter. Demzufolge soll am Beginn des Arbeitspaketes 4 eine umfassende Datenerhebung unter Stationsbedingungen für das Sundheimer Huhn erfolgen, um anschließend mit geprüften Tieren züchterisch weiterarbeiten zu können.

Verbundprojektleitung

Teilprojektleitung HSWT

Partner

Adressierte SDGs (Sustainable Development Goals)