• Laufzeit: 01.11.2018 – 01.03.2022
  • Schwerpunkt: Klimawandel
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Adaptive und sensorgestützte Bewässerung extensiver Gründächer zur Optimierung des urbanen Wassermanagements im Hinblick auf Niederschlagsrückhalt und Verdunstungskühlung (Intelligentes Bewässerungsmanagement auf dem Dach)

Durch dieses adaptive und sensorgestützte Be- und Entwässerungssystem kann der positive Beitrag neuartiger, verdunstungsstarker extensiver Dachbegrünungen zum städtischen Wassermanagement deutlich erhöht werden, so dass urbane Gebiete besser gegen die Herausforderungen des Klimawandels gewappnet sind.

Wissenschaftliche Poster zur Projekt- und Ergebnisdarstellung

Hintergrund

Derzeit sind extensive Dachbegrünungen in der Regel als Trockenstandorte gestaltet: Die Substratschicht ist nur wenige Zentimeter stark sowie sehr gut wasserdurchlässig, die Begrünung besteht aus trockenheitsadaptierten Pflanzen wie Sedum. Auf Grund ihres Konstruktionsprinzips haben diese Dächer v.a. bei Starkregen nur ein geringes Wasserrückhaltevermögen und in trocken-heißen Phasen fehlt das Wasser, um städtischen Hitzeinseln durch Verdunstungskühlung etwas entgegenzusetzen. In den letzten Jahren wurden deshalb bereits neuartige extensive Dachbegrünungen mit einer deutlich größeren Klimawirkung entwickelt. Eine Variante davon sind Begrünungen, bei der anstelle von Sedum und ähnlichen Pflanzen verdunstungsstarke Gräser und Stauden verwendet werden, die über Tropfschläuche mit Wasser versorgt werden können. Ein zweite Variante sind die sogenannten Retentionsdächer, bei denen unterhalb des Begrünungssystems ein Gitterelement eingebaut wird, in dem Wasser temporär zurückgehalten werden kann.

Allerdings besteht bei diesen neuartigen Dachbegrünungssystemen ein Zielkonflikt zwischen der Maximierung des Wasserrückhalts und der Maximierung der Verdunstungskühlung. Während für Ersteres das Substrat möglichst trocken sein sollte, erfordert das Zweite eine durchgängig hohe Wasserversorgung der Vegetation. Zudem stellt sich die Frage nach einem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser, eine Herausforderung, die durch die aktuelle Sommertrockenheit 2022 verstärkt in den Fokus gerückt ist.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde ein adaptives und sensorgestütztes Wassermanagementsystem für neuartige extensive Dachbegrünungen entwickelt, mit dem zum einen der Zielkonflikt zwischen Wasserrückhalt und Verdunstungskühlung gelöst und zum anderen möglichst nachhaltig mit der Ressource Wasser umgegangen werden sollte.

Messung des Wasserversorgungszustands von Dachbegrünungen

Ein wesentlicher Aspekt des Wassermanagementsystems ist die korrekte Messung des aktuellen Wasserversorgungszustandes. In der Landwirtschaft sowie im Gartenbau werden hierfür kapazitive Fühler genutzt. Allerdings ist bekannt, dass diese Fühler für eine korrekte Messung einen ausreichenden Bodenschluss benötigen und zudem in der Regel eine boden- bzw. substratspezifische Kalibration notwendig ist. Im Rahmen des ersten Arbeitspaketes wurden daher entsprechende Fühler auf ihre Eignung für die Messung des Wassergehalts in grob strukturierten und aus überwiegend mineralischen Bestandteilen bestehenden Dachsubstraten geprüft (Abb. 1).

Abb. 1: Einbau von Sensoren in das Prüfgefäß (oben links); Prüfstand mit Prüfgefäß, Waage zur Erfassung des Gewichts des Prüfgefäßes, Kamera zur Aufzeichnung und Erfassung von Welkesymptomen und dem PC zur Datenerfassung (oben rechts); Testpflanzen mit de

Die Ergebnisse (Abb. 2) zeigten, dass alle vier geprüften Fühler grundsätzlich für die Anwendung in Dachsubstraten geeignet sind. Bei dreien war die Beziehung zwischen dem Sensorsignal und dem gravimetrischen Wassergehalt über den gesamten Prüfbereich (volle Wassersättigung bis deutliche Welkesymptome an den Testpflanzen) linear. Bei dem vierten Sensor war die Beziehung S-förmig. Allerdings hat dieser Sensor den Vorteil, dass er ein sehr großes Substratvolumen erfasst und damit Feuchtigkeitsunterschiede in der Fläche besser erfassen kann. Zudem zeigte der Sensor vor allem im Bereich des Welkepunktes eine deutlichere Signaländerung als die drei übrigen Sensoren. Wie auf Grund der Erfahrungen mit diesen Sensoren beim Einsatz in Mineralböden und herkömmlichen gärtnerischen Kultursubstraten vermutet, war die Präzision und Wiederholbarkeit der Messung bei feineren Substraten besser als bei gröberen. Alle Fühler müssen substratspezifisch kalibriert werden.

Abb. 2: Zusammenhang zwischen den Ausgangssignalen der vier geprüften Sensoren in den fünf unterschiedlichen Dachsubstraten (Darstellung: HSWT)

Adaptives, sensorgestütztes Wassermanagementsystem für extensive Dachbegrünungen

Teststände zur Entwicklung und Erprobung

Kernstück der Entwicklungsarbeit waren sechs kleinmaßstäbliche Dachbegrünungsmodelle mit einer Fläche von jeweils 7,6 m². Beim ersten der sechs Modelle entsprach der Aufbau (Wurzelfeste Kunststoffbahn, Schutzvlies, Drainelement, Filtervlies, 6-8 cm hohe Vegetationstragschicht) und Vegetation (v.a. Sedum-Arten) einem derzeit üblichen Extensivdach. Die Modelle 2 und 3 unterschieden sich vom ersten Modell durch eine ca. 2 cm stärkere Substratschicht, eine Unterflur-Tröpfchenbewässerung sowie durch die Vegetation. Beim Modell 2 bestand diese aus mediterranen Stauden und Gräsern, die in Deutschland (derzeit) nich winterhart sind. Bem Modell 3 wurden verdunstungsstarke winterharte Stauden und Gräser verwendet, die im Rahmen eines vorangegangenen Forschungsproojektes an der HSWT (Link Grauwasser) für diesen Zweck selektiert wurden. Das vierte Modell entsprach hinsichtlich Aufbau und Vegetation Modell 3, hier waren aber zusätzlich ein Sensor zur Messung des Wasserstandes im Dachbegrünungsaufbau sowie eine elektronisch steuerbare Drossel zur aktiven Regulation des Regenwasserablaufs verbaut. Bei den Modellen 5 und 6 handelte es sich um sogenannte Retentionsdächer, wobei die Begrünung den Modellen 3 und 4 entsprach. Beide Modelle waren ebenfalls mit einer aktiven Abflussregulation ausgerüstet. Der Unterschied zwischen den beiden Modellen bestand in einer Pumpe beim Modell 6, durch die das im Retentionselement gespeicherte Wasser für die Bewässerung der Begrünung genutzt werden konnte. Abb. 3 zeigt die sechs Modelle während der zweiten Vegetationsperiode.

Abb. 3: Blick über die sechs Dachbegrünungsmodelle im Sommer 2021 (Foto: HSWT)
Abb. 4: Schematischer Aufbau der sechs Dachbegrünungsmodelle (Darstellung: HSWT)

Kernstück des Wassermanagements: Entscheidungsmatrix

Kernstück des Wassermanagementsystems bildet eine Entscheidungsmatrix, in die neben den Messwerten der Sensoren auch Daten aus den kurz- und mittelfristigen Wettervorhersagen vom Deutschen Wetterdienst (MOSMIX- und RADOLAN-Datensätze) sowie Informationen zu den verfügbaren Wasserressourcen einfließen.

Das erste Kriterium der Entscheidungsmatrix ist der Wasserversorgungszustand der Begrünung, der über die Substratfeuchtefühler erfasst wird. Anstatt der bisher üblichen Bepflanzung mit trockenheitsresistenten, jedoch eher verdunstungsschwache Sedum-Arten (s. Abb. 3, Modell 1) stattet man Dachbegrünungen heutzutage immer öfter mit verdunstungsstarken Pflanzen wie z.B. Kräutern und Gräsern aus (s. Abb. 5, Klima-Gründach-Bepflanzung). Soll mit dieser verdunstungsstarken Vegetation eine möglichst hohe Evapotranspirationsleistung erzielt werden (entweder für einen möglichst hohen Kühleffekt oder auch zum Zweck einer nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung), wird eine höhere Substratfeuchte angestrebt und entsprechend stärker bewässert. Falls andererseits der Regenwasserrückhalt maximiert werden soll oder nur wenig Wasser zur Verfügung steht, wird das Substrat möglichst trocken gehalten, ohne dadurch die Vegetation nachhaltig zu schädigen.

Abb. 5: Modell 5 mit vielfältiger, verdunstungsstarker Klima-Gründach-Bepflanzung aus Gräsern und Kräutern im Juni 2021 (Foto: HSWT)

Ein zweiter Aspekt ist die Verknüpfung der kurz- bis mittelfristigen Entwicklung des Wasservorrats im Substrat mit dem aktuellen Wasserversorgungszustand. Dieser wird auf Grundlage der für die nächsten Tage vorhergesagten potentiellen Evapotranspiration sowie von Modellen zur Verdunstungsleistung extensiver Dachbegrünungen in Abhängigkeit von der Substratfeuchte prognostiziert. Des Weiteren wird die Bewässerungsintensität von den zur Verfügung stehenden Wasserressourcen (im Retentionselement gespeichertes Regenwasser, sonstiges Regenwasser, Grauwasser, Trinkwasser) sowie der aktuellen thermischen Belastung der Stadtbevölkerung beeinflusst.

Be- und Entwässerungsmanagement mittels RADVOR-Daten und MOSMIX

Neben dem Bewässerungsmanagement wurden auch Strategien zur Entwässerung entwickelt. Dazu zählen zum einen Steuerungsalgorithmen zur rechtzeitigen Entleerung von Retentionselementen bei anstehenden Niederschlägen. Um vor allem auf kleinräumige, unwetterartige Niederschläge reagieren zu können, wurde ein Auswerte-Algorithmus für radarbasierte Niederschlagsvorhersagen (RADVOR-Daten) entwickelt. Diese Kurzzeitvorhersage wird durch mittelfristige Niederschlagsdaten aus der numerischen Wettervorhersage (MOSMIX) ergänzt. Der zweite Baustein sind Regelalgorithmen zur aktiven Steuerung des Regenwasserablaufs während Niederschlagsereignissen. Hier konnte gezeigt werden, dass die Nutzung des Substrats als temporärer Speicher ein erhebliches Potential vor allem bei wiederholten, kurzen, aber sehr heftigen Niederschlagsereignissen hat, bei denen die derzeit üblichen Dachbegrünungssysteme nur einen relativ geringen Nutzen im Hinblick auf den Regenwasserrückhalt haben – siehe Abb. 6, links ohne Einstau ins Substrat (Niederschlagsrückhalt von ungefähr 15 mm) und Mitte mit Einstau ins Substrat (Niederschlagsrückhalt von 45 mm).

Abb. 6: Verlauf des Regenwasserabflusses (orange) und des Wassereinstaus im Systemaufbau (Vegetationstragschicht + Drain-/Retentionselement) bei aktiver Abflussregulation (grün) in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge (blau). (Darstellung: HSWT)

Bei zusätzlicher Installation eines Retentionselements kombiniert mit aktiver Abfluss-regulation kann fast die gesamte Niederschlagsmenge bei einem Extremregenereinis (80 mm) zurückgehalten werden (Abb. 6 rechts)

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