Studieren für mehr Nachhaltigkeit, Teil 1: Auftakt unserer neuen Interviewserie

  • Datum: 01.09.2020
  • Autor: Christine Dötzer
Das Bild zeigt einen fertigen Begonienbestand auf Tischen im Gewächshaus (überwiegend gelb- und orangefarbene Sorten), die in einem Substrat aus 65 % Torf, 15 % Xylit, 10 % Holzfaser und 10 % Kompost kultiviert wurden.

In dieser Interviewserie stellen HSWT-Absolventinnen und -Absolventen ihre Bachelor- und Masterarbeiten vor, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Denn die Studiengänge der grünen Hochschule behandeln nachhaltige Themen in vielen Facetten.

Den Auftakt macht Nadine Keßler, Bachelorabsolventin im Studiengang `Gartenbau - Produktion, Handel, Dienstleistungen´ der Fakultät `Gartenbau und Lebensmitteltechnologie´.

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Frau Keßler, welches Thema haben Sie in Ihrer Arbeit behandelt?

Ich wollte herausfinden, ob beziehungsweise wie man Lebensmittelverschwendung reduzieren könnte, indem man Konsumentinnen und Konsumenten über die richtige Lagerung von Obst und Gemüse aufklärt. Dazu habe ich eine Studie in Form von Interviews mit Verbraucherinnen und Verbrauchern durchgeführt.

Auf Basis meiner Erkenntnisse aus den Gesprächen habe ich handliche Infokarten entwickelt, auf denen Tipps zur richtigen Lagerung verschiedener Obst- und Gemüsesorten stehen. Meine Idee ist, diese Karten den Verbraucherinnen und Verbrauchern direkt beim Kauf der Lebensmittel an die Hand zu geben. Die Lagerungskarten sollen unkompliziert informieren. Denn in meinen Interviews hat sich unter anderem herausgestellt, dass viele Leute sich zwar immer wieder darüber ärgern, dass ihnen Obst oder Gemüse vorschnell verdirbt, sie sich aber nicht aktiv darüber informieren, wie sie das verhindern könnten.

Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen und warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Ich arbeite auf einem Bauernmarkt in München. Dort ist mir aufgefallen, was für einen Unterscheid es macht, wenn man den Kundinnen und Kunden beim Verkauf dazusagt, wie sie die Ware zuhause optimal lagern können. Viele waren ganz überrascht, dass zum Beispiel eine Karotte unter den richtigen Bedingungen locker bis zu vier Wochen genießbar bleiben kann. Und es gilt nur ein paar simple Tipps zu beherzigen - niemand muss sich dafür einen Hightech-Kühlschrank zulegen. Der Alltag wird einfacher, wenn man länger etwas von seinen Vorräten hat, es schont den Geldbeutel und natürlich Umwelt und Ressourcen. Da habe ich mich ehrlich gesagt schon des Öfteren gefragt: Ja warum tut denn da keiner was?! [lacht]

Wie werden die Ergebnisse Ihrer Arbeit nun genutzt werden?

Derzeit studiere ich Gartenbaumanagement im kooperativen Masterstudiengang von TUM und HSWT und arbeite in meiner Masterarbeit weiter zum Thema Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.

Und ich bin gerade dabei, gemeinsam mit einer Grafikerin die Lagerungskarten zu entwerfen. Die wird man demnächst kaufen können: Zum einen werde ich sie über einen Online-Shop vertreiben, zum anderen wird es sie in kleineren Läden in München und Freising geben, in denen Nachhaltigkeit zum Prinzip gehört. Schön wäre es auch, einen lokalen Supermarkt oder eine kleinere lokale Ladenkette als Partner zu gewinnen.

Gab es bei Ihren Studien Ergebnisse, die Sie überrascht haben oder die besonders hervorstechen?

Auffallend fand ich, wie hartnäckig sich gängige Irrglauben halten, beispielsweise, dass man Radieschen angeblich mitsamt dem Grün aufbewahren soll.

Erstaunt hat mich auch, dass die Leute zwar ehrlich frustriert sind, wenn sie Obst und Gemüse wegschmeißen müssen, sie aber trotzdem nichts dagegen unternehmen. Schon seltsam: Zu praktisch allen anderen Alltagsthemen schaut man sich Youtube-Videos an, aber bei der Karotte denken anscheinend viele einfach: Ach schade, aber weg damit.

Ich könnte mir deshalb auch gut vorstellen, zu diesem Thema etwas in den Sozialen Medien zu machen. Konkrete Pläne in diese Richtung habe ich aber noch nicht.

Und ich möchte die Menschen auch über andere Wege als das Internet erreichen: Zum Beispiel über die besagten Lagerungskarten, eventuell eigene Postkarten und durch Workshops.

Was war die größte Herausforderung, vor der Sie im Zuge Ihrer Masterarbeit standen und wie haben Sie diese überwunden?

Die Interviews habe ich mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet, das hatte ich vorher noch nie gemacht. Das ist ein aufwendiges Verfahren, hat sich aber auf jeden Fall gelohnt: Ich habe durch die zehn ausführlichen Interviews viel mehr Infos bekommen, als mit dem ursprünglich geplanten Fragebogen jemals möglich gewesen wäre. Eine Dozentin hat mir diese Form der Interviews ans Herz gelegt.

Hat sich in Ihrem eigenen Haushalt in Sachen Obst- und Gemüseeinkauf und -lagerung etwas verändert durch die Behandlung dieses Themas?

Im Grunde wurde meine Einstellung zu dem Thema bestätigt. Und ich achte jetzt noch etwas mehr darauf, Lebensmittel regional und in hoher Qualität zu kaufen. Denn es macht auch hinsichtlich der Lagerfähigkeit einen Unterschied, ob die Produkte hochwertig sind und ob sie frisch vom Feld kommen oder bereits einen weiten Weg hinter sich haben.

Welchen Tipp legen Sie Verbraucherinnen und Verbrauchern besonders ans Herz?

Sehen wir uns die in Deutschland meistgekaufte Frucht an: Den Apfel. Ab in den Kühlschrank damit und weg von allem anderen Obst- und Gemüse.

Und weil ich es vorhin schon erwähnt habe: Das Grün der Radieschen abschneiden!

Ach, und noch was: Sehr vieles ist im Kühlschrank am besten aufgehoben - Tomaten aber nicht.

Klären wir dann noch folgende Frage ein für alle Mal: Bananen in die Obstschale oder in den Kühlschrank?

In die Obstschale. Und da sollten sie alleine liegen: Denn sie stoßen Ethylen aus, eine gasförmige organische Verbindung, die andere Obstsorten reifen und dann auch schneller faulen lässt. Möchte man ein noch unreifes Stück Obst genießbar machen, kann man sich das natürlich zunutze machen.

Was erhoffen Sie sich vonseiten der Lebensmittelwirtschaft und der Supermärkte hinsichtlich der Reduzierung von Lebensmittelverlusten?

Ich wünsche mir, dass etwas weniger an den eigenen Profit und etwas mehr an die Umwelt gedacht wird. Auch ihrer Vorbildfunktion sollten sich die Supermärkte deutlicher bewusst sein: In meiner Studie habe ich festgestellt, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher die Lebensmittel so lagern, wie sie es im Supermarkt sehen, weil sie davon ausgehen, das sei die optimale Lagerung. Tatsächlich dient die Darbietung im Supermarkt aber dazu, zum Kauf anzuregen. Um wieder auf die Radieschen zurückzukommen: Das ist der Grund, warum das Grün da noch dran ist, wenn sie im Einkaufswagen landen - die Ware soll dadurch schmackhafter aussehen.

Welche beruflichen Pläne haben Sie nach dem Abschluss? Geht es dabei thematisch in eine ähnliche Richtung wie die Bachelor- und nun auch die Masterarbeit?

Auf jeden Fall möchte ich etwas in Sachen Nachhaltigkeit machen, etwas Sinnvolles tun und weiter daran mitwirken, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Seitdem meine Bachelorarbeit letztes Jahr unter anderem durch die Auszeichnung mit dem Nachhaltigkeitspreis der Selbach-Umwelt-Stiftung eine gewisse Aufmerksamkeit gewonnen hat, ist so viel Positives passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. Bis heute bekomme ich Anfragen für Interviews. Ich werde also schauen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.  

Wenn mir Nachhaltigkeit am Herzen liegt und ich ggf. auch im Berufsleben damit zu tun haben möchte - würden Sie sagen, dass ich dann im HSWT-Studiengang `Gartenbau - Produktion, Handel, Dienstleistungen´ richtig bin?

Auf jeden Fall! Das ist ein so vielfältiger Studiengang, der einem die Möglichkeit bietet, sich dem Thema Nachhaltigkeit aus verschiedenen Richtungen zu nähern. Ich zum Beispiel habe ein Modul zur Lagerhaltung belegt und bin dadurch zum Thema meiner Bachelorarbeit - meinem derzeitigen Herzensthema - gekommen.

 

  • Entwürfe der Lagerkarten, die Verbraucherinnen und Verbrauchern praktische Tipps geben, wie Obst und Gemüse länger frisch und genießbar bleiben. (Foto: Hanna Wolf)
  • Kleine Maßnahme mit großer Wirkung: Nach fünf Tagen im Kühlschrank sind die Radieschen ohne Laub noch wesentlich frischer als der Vergleichsbund mit Grün. (Foto: Nadine Keßler)