„Die Professur ist ein historischer Glücksfall“

  • Datum: 04.05.2020
  • Autor: Teresa Pancritius
Michelangelo Olleck (rechts) und Projektleiter Prof. Dr. Jörg Ewald präsentieren stolz die Dauerleihgabe des Bayerischen Landesamtes für Umwelt. Das durch Kunstharzschichten konservierte Bodenprofil aus Garmisch-Partenkirchen wird einen besonderen Platz im Forstgebäude der HSWT erhalten. (Foto: C. Josten, Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan)

Dr. Bernd Hertle ist Professor für Freilandzierpflanzen - eine einzigartige Professur, die nur an der HSWT existiert. Im Interview spricht er unter anderem darüber, warum sie gerade heutzutage von großer Bedeutung ist und welche Rolle das „Freilandlabor für die Pflanzenkunde“ dabei spielt. (Interview: Teresa Pancritius, HSWT)

Sie sind Professor für Freilandzierpflanzen - warum existiert diese Professur nur an der HSWT?

Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen ist es ein historischer Glücksfall, der seinen Ursprung im Jahr 1971 hat, dem Gründungsjahr der Fachhochschule Weihenstephan: Die Ingenieurschule für Gartenbau, die der `Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau´ angegliedert war, wurde zur Fachhochschule. Im Zuge dessen wurde Dr. Josef Sieber, langjähriger Mitarbeiter im Sichtungsgarten Weihenstephan und Wegbegleiter von dessen Gründer Prof. Dr. Richard Hansen, zum Professor „befördert“. Während Hansen für die Lehrveranstaltungen in der Landespflege verantwortlich war, übernahm Sieber das Lehrdeputat im Fachbereich Gartenbau.

Der zweite wesentliche Punkt ist entscheidend für die Erhaltung der Professur bis heute: Im Studiengang `Gartenbau´ erkannte man frühzeitig, dass Gartenbau nicht nur Produktion bedeutet, sondern auch Dienstleistung, Vermarktung, Handel. Die Beratung hinsichtlich der Verwendung der Pflanzen spielt eine ganz wesentliche Rolle.

Womit beschäftigen sich Studierende in Ihren Lehrveranstaltungen?

Im Wesentlichen mit drei Punkten: Mit der Pflanzenkunde, der Kultur von Stauden und mit der Pflanzenverwendung. Konkret sind die Lehrveranstaltungen so aufgebaut, dass im einführenden Teil des Faches 'Freilandzierpflanzen' im Modul 'Grundlagen Zierpflanzen und Gemüse' zunächst das Wesentliche zu Herkunft, Vegetationszonen, Lebens- und Wuchsformen von Pflanzen sowie die Vermehrung und die Lebensbereiche von Stauden behandelt werden.

Im weiteren Studienverlauf werden dann in den Modulen 'Staudenkunde', 'Objektbegrünung' und 'Gehölzkunde' vertiefte Pflanzenkenntnisse verlangt und die konkrete Verwendung der Pflanzen samt ihrer Pflege angesprochen. Das reicht von der Straßenbaumverwendung und der Gehölzverwendung in kleinen Gärten über die Dach- und Fassadenbegrünung bis zum Einsatz von Stauden in Gärten, Parks und an sogenannten Stressstandorten im verdichteten Siedlungsraum. Diese Inhalte besitzen heute angesichts von Urbanisierung und Klimawandel eine noch viel größere Wichtigkeit als zu der Zeit, in der das Fach 'Freilandzierpflanzen' begründet wurde.

Im Modul 'Gartengestaltung' erstellen die Studierenden nach der Vorstellung theoretischer Inhalte einen Pflanzplan für ein real existierendes Grundstück, wobei sie ökologische, ästhetische und pflegetechnische Aspekte berücksichtigen müssen.

Welche Bedeutung haben die Weihenstephaner Gärten für das Gartenbau-Studium an der HSWT?

Die Weihenstephaner Gärten sind für die Ausbildung ein absoluter Glücksfall und für Studentinnen und Studenten sicherlich ein unvergleichliches Dorado, um Gehölze, Stauden und Einjahrespflanzen sowie deren Verwendung studieren zu können. Die Übungen in meinen Modulen finden nahezu ausnahmslos in den Gärten statt. Was ich mit den Studierenden in den Lehrveranstaltungen theoretisch anspreche, kann ich draußen vor Ort veranschaulichen. Die Studierenden erfahren Pflanzen mit allen Sinnen und bekommen eine konkrete Vorstellung von ihrer Verwendung.

Wenn man so will, sind die Weihenstephaner Gärten das Freilandlabor für die Pflanzenkunde. Selbst profitiere ich in unglaublichem Maß von den Erfahrungen, die ich und andere in den Gärten gewinnen, und von den dort durchgeführten Projekten, deren Ergebnisse selbstverständlich in die Lehre einfließen.

Ich bin überaus glücklich, dass wir die Gärten hier haben und könnte mir eine Ausbildung in der Pflanzenkunde und Pflanzenverwendung ohne sie nicht vorstellen.