Innovative Züchtungsforschung zu neuartigen Körnerfrüchten an der HSWT

Pflanzliche Produkte sollen in der deutschen Landwirtschaft einen höheren Anteil in der Ernährung stellen. Kichererbse, Quinoa oder Buchweizen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Das ist ein Grund für die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), sich mit eigener Züchtungsforschung zu diesen neuartigen Körnerfrüchten ins Feld zu bringen. Prof. Dr. Klaus-Peter Wilbois von der Fakultät Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung (LT) am Campus Triesdorf spricht dazu im Rahmen der Triesdorfer Werkstattgespräche mit seiner Fakultätskollegin Prof. Dr. Franziska Wespel. Diese konnte über die Hightech-Agenda Bayern für die Forschungsprofessur Breeding Novel Grain Crops berufen werden.
Welche Rolle spielen neuartige Körnerfrüchte in der zukünftigen Ernährungssicherung, warum rücken sie stärker in den Fokus der Züchtung und wo liegt dein Forschungsschwerpunkt?
Durch den Klimawandel geraten unsere klassischen Feldfrüchte zunehmend unter Druck. Neben deren Anpassung könnten wir auch Arten anbauen, die bereits in Regionen mit klimatischen Verhältnissen kultiviert werden, wie sie bei uns in Zukunft herrschen könnten: speziell also trocken- und hitzeresistente Pflanzen wie z. B. die Kichererbse. Mein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Screening potenziell geeigneter Arten und deren züchterischer Weiterentwicklung.
Welche züchterischen Ansätze sind besonders vielversprechend, um z. B. Kichererbse, Quinoa oder Buchweizen an mitteleuropäische Bedingungen anzupassen?
Züchtung muss immer dort stattfinden, wo die Sorten angebaut werden. Darum ist es wichtig, neue Körnerfrüchte direkt im praktischen Feldanbau zu testen, um die Zuchtziele gezielt auf unsere Standortbedingungen auszurichten.
Inwiefern kann dies ökologisch und ernährungsphysiologisch zur Umsetzung einer klimafreundlichen Ernährung beitragen – etwa im Sinne der „Planetary Health Diet“?
Neue und bisher wenig angebaute Kulturarten erweitern die Fruchtfolge und fördern die Biodiversität auf unseren Äckern. Mein besonderer Fokus liegt auf Eiweißpflanzen, die dazu beitragen können, mehr pflanzliche Proteine in die menschliche Ernährung zu integrieren. Das bringt gesundheitliche Vorteile und kann gleichzeitig die Treibhausgasemissionen sowie den Flächenverbrauch reduzieren.
Welche Chancen bieten sich für die deutsche Landwirtschaft durch den Anbau neuartiger Körnerfrüchte im Hinblick auf Klimaanpassung und Fruchtfolgegestaltung?
Mit neuen Kulturarten lässt sich die Fruchtfolge deutlich vielfältiger gestalten. Deren unterschiedliche Profile ermöglichen eine gewisse Risikostreuung, insbesondere bei Extremwetterereignissen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass klassische Kulturen durch den Klimawandel oder neue Schaderreger an Grenzen stoßen – dann brauchen wir rasch gut angepasste Alternativen.
Wo siehst Du die größten Hemmnisse für den Anbau und die Vermarktung dieser Kulturen in Deutschland und was kann die Züchtung zur Überwindung beitragen?
Es mangelt an Sorten, die stabile Erträge unter mitteleuropäischen Bedingungen liefern. Erst wenn der Handel mit verlässlichen Mengen planen kann, wird eine gezielte Vermarktung möglich. Das macht dann den Anbau für die Landwirtinnen und Landwirte wirtschaftlich interessant und planbar.
Welche Rolle spielen neue genomische Züchtungstechniken wie die Genom-Editierung in Deiner Arbeit – und wo liegen deren Grenzen?
Bei den meisten dieser für uns neuen Kulturarten muss zuerst einmal eine grundlegende Anpassung an unsere Bedingungen erfolgen. Viele Merkmale sind jedoch von mehreren Genen beeinflusst und lassen sich nicht durch die gezielte Editierung einzelner Gene erreichen. Zudem sind die verantwortlichen Genregionen bei vielen dieser Kulturen noch nicht identifiziert und müssen erst im Rahmen von Forschungsprojekten ermittelt werden.
Wie sollte eine zukunftsorientierte Forschungs- und Förderpolitik aussehen, um das Potenzial von neuartigen Körnerfrüchten für die hiesige Landwirtschaft zu erschließen?
Züchtung braucht Zeit – und vor allem fundierte Informationen, um die richtigen Zuchtziele definieren zu können. Besonders wichtig sind dabei Verbundprojekte, in denen Akteurinnen und Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten: von der Züchtung über den Anbau bis hin zu Verarbeitung, Vertrieb und Verbrauch. Solche Projekte sollten über längere Zeiträume gefördert werden, um realistische Ergebnisse erzielen zu können.
Das Interview führte Prof. Dr. Klaus-Peter Wilbois im April 2025. Ein weiteres Interview im Rahmen der Triesdorfer Werkstattgespräche findet sich hier.