Ökologische Planung zur Effizienzkontrolle von Moorrenaturierung in Bezug auf den Klimawandel (Teilprojekt Faunistische Erfassungen)
Bedeutung der Moorrentaturierung im Hinblick auf den Klimawandel aus faunistischer Perspektive
Die Auswirkungen des Klimawandels können für die moortypischen Zielarten des Fichtelgebirges zu einer besonderen Bedrohung werden. Arten, die stark auf ihren Lebensraum spezialisiert, hinsichtlich ihrer räumlichen oder Höhenverbreitung beschränkt sind und geringe Ausbreitungsfähigkeit besitzen, sind besonders gefährdet (Fehan et al. 2009).
Da die meisten der Libellen-Zielarten, die für das Projekt „Effizienzkontrolle von Moorrenaturierung in Bezug auf den Klimawandel“ ausgewählt wurden, nach Kuhn & Burbach (1998) höhere Lagen bevorzugen, ist bei ihnen von einer Verschärfung der Gefährdungssituation auszugehen. Dies geschieht einerseits aufgrund der veränderten abiotischen Bedingungen des Lebensraumes, andererseits aufgrund einer verschärften Konkurrenzsituation, da eurytherme Arten sich nord- und ostwärts sowie in höhere Lagen ausbreiten können, wie entsprechende Funde von Hunger et al. (2006), Westermann (2003a, 2003b, 2006) zeigen (Ott 2010). Dies zeigen auch zwei Funde der Art Gomphus pulchellus, die in den Untersuchungsgebieten Fuchs-/Wolfslohe und im Fichtelseemoor Nord nachgewiesen werden konnte und als ein Vertreter thermophiler Arten, deren Areal sich im Zuge des Klimawandels erweitert, gilt.
Ähnliches gilt für die Tiergruppe der Schmetterlinge, für die bei zahlreichen Tagfalterarten eine Ausbreitung nach Norden (Pöyry et al. 2009) und in höhere Lagen (Konvicka et al. 2003) nachgewiesen werden konnte. Hinsichtlich der abiotischen Bedingungen muss in den Sommermonaten aufgrund höherer Temperaturen und längerer Dürreperioden mit einem vermehrten Trockenfallen, insbesondere kleinerer Moorgewässer gerechnet werden, die ein wichtiges Larvalhabitat für Libellen darstellen.
Angesichts der geschilderten Verschärfung der Gefährdungslage der stenothermen tyrphophilen und tyrphobionten Libellenarten sowie der an Vorkommen moortypischer Vegetationsstrukturen gebundenen Tagfalterarten, von der im Zuge des Klimawandels auszugehen ist, kommt der Erhaltung, der Aufwertung und Renaturierung der Moorflächen im Fichtelgebirge als Refugium für diese Arten eine wichtige Rolle zu. Hierzu ist ein dichtes Netz an renaturierten Moorflächen mit intakten hydrologischen Bedingungen anzustreben, um negative Auswirkungen einer etwaigen Verschlechterung der Habitatqualität und eines veränderten Konkurrenzgefüges abzupuffern. Dies muss auch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass eine Ausgleichsbewegung der Populationen moortypischer Arten in höhere Lagen wie in den Alpen (Oertli 2010), im Fichtelgebirge nur sehr begrenzt möglich ist.
Zielsetzung des Projekts
In dem vorliegenden Teilprojekt ging es um die Evaluierung erfolgter Renaturierungsvorhaben im Fichtelgebirge, die größtenteils in Kooperation mit den Bayerischen Staatsforsten und privaten Waldbesitzern in den Jahren 2014 bis 2016 erfolgt sind.


METHODIK
Für die faunistische Effizienzkontrolle der Moorrenaturierungen im Fichtelgebirge und Steinwald wurden Libellen und Tagfalter aufgrund von Vorkenntnissen, der Bindung an Moorlebensräume und die Erfassbarkeit untersucht. Zusätzlich wurde die Artengruppe der Vögel erfasst. Sie weist zwar keine streng an Moore gebundenen Arten wie Libellen und Tagfalter auf, besitzt jedoch einige Vertreter, die für offene baumarme Moorflächen typisch sind. Libellen, Tagfalter und Vögel wurden systematisch im gesamten Untersuchungsgebiet erfasst. Innerhalb jeder Artengruppe wurden außerdem Zielarten gewählt, deren Vorkommen auf Hochmoore beschränkt (tyrphobiont) bzw. die stark an diese gebunden sind (tyrphophil). Zusätzlich wurden in Teilgebieten Sonderuntersuchungen zu Populationen der Kleinen Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) durchgeführt.


ERGEBNISSE
Bei der Kartierung in den Jahren 2015 und 2016 konnten 31 Libellen-, 29 Tagfalter- und 51 Vogelarten in den renaturierten Mooren des Fichtelgebirges und Steinwalds nachgewiesen werden. Von elf Libellen-Zielarten konnten neun nachgewiesen werden, von drei Tagfalter-Zielarten keine.
Libellen
Die höchste Libellenartenzahl wurde auf der 2011 renaturierten Fläche Hopfenwinkel Nord mit 16 Arten festgestellt. Davon sind fünf Arten nach Winterholler (2003) stark gefährdet (RL B: 2), sechs gefährdet (RL B: 3) und zwei stehen auf der Vorwarnliste. Auswertungen der Bedeutung von einzelnen Gewässerstrukturen für die Zielarten ergaben artspezifische Unterschiede (siehe Abb. 1):
- Coenagrion hastulatum profitiert von höheren Wassertemperaturen und einer höheren Bedeckung der Gewässeroberfläche auf den Untersuchungsflächen.
- Leucorrhinia dubia war auf Teilflächen mit tieferen Gewässern häufiger vertreten. Dabei zeigte eine zusätzliche Fang-Wiederfang-Untersuchung in zwei Mooren (Palm- und Hahnenfalzlohe), dass eine Zunahme der Totholzstücke einen positiven (0,04 ± 0,17, p < 0,05; 0,54 ± 0,12, p < 0,001) und eine Zunahme der Beschattung durch Gehölze einen negativen (-0,5 ± 0,17, p < 0,01; -3,73 ± 1,24, p < 0,01) Effekt auf die Abundanz dieser Art hat.
- Somatochlora alpestris war in höher gelegenen Untersuchungsgebieten und bei offeneren Wasserflächen häufiger.
- Auf die Häufigkeit von Sympetrum danae wirkte sich ein höherer Grad an Beschattung und an bedeckter Wasserfläche negativ aus.
Betrachtet man die Gesamtdiversität der Libellen sowie die der Zielarten, so zeigt sich, dass beide mit zunehmender Zahl an Stillgewässern (0.056 ± 0.016, p = 0.001; 0.081 ± 0.025, p = 0.003) zunehmen. Eine größere Tiefe und stärkere Besonnung der Stillgewässer (0.008 ± 0.003, p = 0.008; - 0.185 ± 0.073, p = 0.013) führt zu einer Erhöhung der Gesamtdiversität; die Zielartendiversität wies ebenfalls einen positiven Trend auf, der jedoch nicht signifikant war.
Tagfalter
In den Jahren 2015 und 2016 konnten 29 Tagfalterarten nachgewiesen werden. Bei den erfassten Tagfalterarten handelt es sich hauptsächlich um Generalisten. Es konnte keine der drei moorspezifischen Zielarten nachgewiesen werden. Zwei der nachgewiesenen Arten sind nach Voith et al. (2016b) in Bayern stark gefährdet (RL B: 2), vier gefährdet (RL B: 3) und zwei stehen auf der Vorwarnliste. Mit 17 Tagfalterarten konnte die höchste Artenvielfalt in der Torfmoorhölle festgestellt werden. Die Kartierung der für die Arten wichtigen Raupenfutterpflanzen zeigt, dass die Moosbeere nur in wenigen Untersuchungsgebieten vorkommt. Die Heidelbeere ist mit Ausnahme des renaturierten Bereichs des Hopfenwinkels in allen Mooren z.T. mit hoher Abundanz vertreten. Die Preiselbeere wurde in etlichen Untersuchungsgebieten nachgewiesen. Die Rauschbeere trat nur mit kleinen Beständen auf.
Vögel
Insgesamt konnten 52 Vogelarten nachgewiesen werden. Drei Arten sind nach Rudolph et al. 2016 in Bayern stark gefährdet (RL B: 2), eine Art gefährdet (RL B: 3) und vier Arten stehen auf der Vorwarnliste. Die höchste Artenvielfalt wurde dabei mit 35 Vogelarten in der Torfmoorhölle festgestellt. Die Generalisten Buchfink, Zaunkönig und Rotkehlchen waren die am häufigsten auftretenden Arten in den Mooren, während hochmoortypische Zielarten fehlten. Als charakteristische Arten lichter Moorrandbereiche konnten die auch in Moorlebensräumen, einschließlich Moorwäldern, verbreiteten Arten Baumpieper, Fitis und Weidenmeise nachgewiesen werden (Nitsche & Rudolph 2002).
Vergleich renaturierter und nicht renaturierter Flächen (unechte Zeitreihe)
Libellen
Auf den renaturierten Untersuchungsgebieten konnten signifikant (p = 0,007) mehr Libellenarten nachgewiesen werden als auf den nicht renaturierten (Abb. 2). Auf den nicht renaturierten Flächen wurden 0–4 Arten gefunden. Ein Vergleich der Artenzahl in einer unechten Zeitreihe zeigte eine unimodale Entwicklung der Gesamtartenzahl (Abb. 3). In den Mooren, die 0 – 1 Jahr und 2 – 4 Jahre nach der Renaturierung untersucht wurden, konnte eine signifikante Erhöhung (p < 0,05) der Artenzahl gegenüber den nicht renaturierten Zustand registriert werden. Nach 5 – 8 Jahren kehrte sich dieser Trend um. Die Artenzahlen sanken. Es gab keinen signifikanten Unterschied zum nicht renaturierten Status. Nach neun Jahren zeigte sich wieder eine Erhöhung der Artenzahlen, die sich signifikant (p < 0,05) vom nicht renaturierten Status unterscheidet. Vergleicht man die Gesamtheit renaturierter und nicht renaturierte Teilflächen, so ist ein signifikanter Anstieg (F = 12.9***) der Artenzahlen im Vergleich zu nicht renaturierten Flächen erkennbar. Gleiches gilt für Zielarten (F = 6.49*).
Tagfalter
Weder auf nicht-renaturierten, noch auf renaturierten Flächen konnten die drei Tagfalter-Zielarten nachgewiesen werden. Dementsprechend können nur Aussagen zur Veränderung der Tagfalterfauna der nicht an Moore gebundenen Arten getroffen werden. Die artenreichsten Moore waren mit 17 Arten die Torfmoorhölle und mit 16 Arten der renaturierte Nordteil des Hopfenwinkels. Hinsichtlich der Tagfalterdiversität konnte bei einer Zeitreihenanalyse nur in den Jahren 2 – 4 nach der Renaturierung eine signifikante Erhöhung der Artenzahl gegenüber dem nicht renaturierten Zustand festgestellt werden, in den Folgejahren war schließlich kein signifikanter Unterschied zu den Referenzgebieten mehr nachzuweisen. Beim Vergleich der Gesamtheit aller renaturierten und nicht renaturierten Flächen konnte jedoch eine signifikante Erhöhung der Gesamtartenzahl nachgewiesen werden (F = 15.4***).