Carbon-Footprint-Analysen entlang der Wertschöpfungsketten von Obst und Gemüse an ausgewählten Beispielen, sowie Erarbeitung eines entsprechenden Zertifizierungs- und Labellingsystems
Der Carbon Footprint (CF) schafft Transparenz über die Treibhaussemissionen (THG) entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im Vergleich zur industriellen Produktion spielt bei frischen unverarbeiteten Obst- und Gemüseprodukten das Management der Wertschöpfungskette für die Erstellung einer ökologischen Gesamtbilanz eine größere Rolle. Innerhalb einer Produktkategorie gibt es aufgrund unterschiedlicher Produktionssysteme eine hohe Variabilität. Zudem kann bei unverarbeiteten Produkten der durch Transportwege und Lagerzeiten verursachte Anteil am CF eine bedeutende Rolle spielen und auch die Witterung hat einen erheblichen Einfluss auf den CF. Für die Ableitung von Maßnahmen zur Reduktion des CF, ist es daher unabdingbar, die Variabilität entlang der Wertschöpfungskette zu ermitteln. Um für den Konsumenten die Möglichkeit zu schaffen, die CO2-Emissionen bei seiner Kaufentscheidung zu berücksichtigen, ist zudem eine Information über den CF am Point of Sale notwendig.


Zielsetzung
Im Rahmen des Projektes zum CF von Obst- und Gemüse-Wertschöpfungsketten sollte daher, neben der CO2-Bilanz der einzelnen Abschnitte der Wertschöpfungskette, insbesondere auch der Einfluss des Managements der Wertschöpfungskette und die sich daraus ergebende Variabilität des CF ermittelt werden. In einem zweiten Teil stellten die Erkenntnisse zum CF die Basis für die Entwicklung eines Labellingsystems dar.


Ergebnisse – Teilprojekt Wertschöpfungskette
Die CF-Berechnungen wurden nach den Standards ISO 14040|44 (ISO Norm 14067) erstellt. THG-Emissionen und Einflussfaktoren im Transport wurden mit DIN EN 16258 bewertet. Für die Berechnungen wurde ein großer Anteil an Primärdaten aus deutschen und ausländischen Anbaubetrieben sowie aus nachgelagerten Handelsstufen verwendet. Literaturdaten sowie Ergebnisse aus Wärmeverbrauchs- bzw. Kältebedarfsrechnungen wurden zur Validierung der Daten sowie zur Ermittlung der Schwankungsbreiten verwendet. Eine sehr hohe Variabilität des CF bei der Tomatenproduktion ist beim Einsatz der Energieträger für die Wärmeerzeugung zur Beheizung des Gewächshauses in den Anbauregionen in Nordeuropa zu verzeichnen. Hier haben sowohl der Energieträger (fossil bzw. erneuerbar) als auch die aktuellen Klimabedingungen einen großen Einfluss. In Südeuropa hat der Ressourceneinsatz in den Betriebsprozessen sowie die Transportorganisation einen größeren Einfluss auf die Variabilität des CF. Aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Produktion unter Glas und der relativen kurzen maximalen Lagerdauer von Tomaten haben die nachgelagerten Prozessstufen, wie Transport und Verarbeitung einen geringeren Anteil am gesamten CF. Die relativ stabile Klimaführung innerhalb des Gewächshauses hat zur Folge, dass der Ertrag über die Jahre bei gleichen Sorten und Anbaubedingungen relativ konstant ist. Einen Überblick über die Einflussfaktoren in der Unterglasproduktion von Tomaten und deren Bedeutung entlang der Wertschöpfungskette ist in Abbildung 1 dargestellt. Beim Wärmeverbrauch hat die Auswahl des Energieträgers den größten Einfluss auf den CF. Der Zusammenhang zwischen den CO2 Emissionen verschiedener Energieträger in Abhängigkeit vom Wärmeenergieverbrauch zeigt Abbildung 2. Anders als bei der Unterglasproduktion ist der Einfluss der nachgelagerten Prozessstufen beim Apfel wesentlich größer. Ein Grund hierfür ist die Möglichkeit, Äpfel über einen langen Zeitraum im Kühllager frisch zu halten. Die Energieeffizienz des Lagers und auch die verwendeten Kältemittel beeinflussen den CF während der Lagerung. Auch die Kulturmaßnahmen in der Produktion tragen maßgeblich zum CF bei. Insbesondere beim Import von Überseeäpfeln kann auch der Transport einen erheblichen Anteil ausmachen. Der jährlich schwankende Ertrag beeinflusst die Variabilität ebenfalls erheblich. Einen Überblick über die wesentlichen Einflussfaktoren auf den CF in der Wertschöpfungskette von Äpfeln zeigt Abbildung 3. Wenn das Verbraucherverhalten in den PCF integriert wird, hat die Verbraucherphase aufgrund der Einkaufsfahrt und der Entsorgung einen bedeutenden Anteil am Gesamtergebnis. Die Ergebnisse zeigen, dass auf Basis wesentlicher Einflussfaktoren, der CF der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Vermarktung zu einem hohen Anteil abgeschätzt werden kann. Für eine Abschätzung des CF sind beim Apfel wesentlich mehr Daten erforderlich, als dies bei der Unterglasproduktion für Tomaten der Fall ist. Die Daten lassen sich auf weitere Wertschöpfungsketten gartenbaulicher Produkte übertragen.
Ergebnisse – Konsumentenstudie
Neben der Ermittlung des CF der Wertschöpfungskette ist für eine Nutzung entsprechender Daten die Transparenz für den Verbraucher Voraussetzung. Daher sollten im Rahmen des Projekts auch die Wahrnehmungen und Präferenzen der Verbraucher gegenüber Labels mit Informationen zum CF bei Obst und Gemüse ermittelt werden. Zur Bestimmung der Anforderungen verschiedener Akteure der Wertschöpfungskette Gartenbau an ein CO2-Zertifizierungs- und Labellingsystem wurde im Juni 2013 ein Experten-Workshop abgehalten. Die Anforderungen der Verbraucher an ein Kommunikationssystem wurden mit Hilfe eins Fokusgruppen-Workshops sowie zwei Verbraucherbefragungen untersucht. Die Verbraucherstudien beinhalteten u. a. zwei Discrete-Choice-Experimente (DCE) zur Bestimmung der relativen Wichtigkeit eines C02-Labels im Entscheidungsprozess. Beide Workshops zeigen, dass eine CO2-Zertifizierung auf Basis von berechneten CFs als internes Hilfsmittel und zur B2B-Kommunikation für die Gartenbaubranche geeignet ist und von den Akteuren überwiegend positiv bewertet wird. Eine B2C-Kommunikation von CFs von Produkten der Gartenbaubranche in Form eines Labels ist dagegen als problematisch zu bewerten, obwohl die Teilnehmer des Fokusgruppen-Workshops einem Labelling-Ansatz offen gegenüber standen. Ein Großteil der Konsumenten hat sich bereits über die Auswirkungen des eigenen Handelns auf das Klima Gedanken gemacht hat. Demnach scheint es zielführend, Konsumenten Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Allerdings ist das Wissen über relevante Themengebiete (v. a. zum CF-Begriff und zum Einfluss der Ernährung auf das Klima) in diesem Zusammenhang eher gering bis mittelmäßig hoch, was weiteren Aufklärungsbedarf verdeutlicht. Auch die Intention sich klimafreundlich im Bereich Lebensmittel zu verhalten, ist unter den Befragten hoch, wobei ein stark positiver Zusammenhang mit Klimaeinstellungen und sozialen Normen vorliegt. Unsicherheiten bestehen jedoch hinsichtlich verschiedener klimafreundlicher Verhaltensstrategien bei Obst und Gemüse. Auch dies zeigt, dass Konsumenten weitere Unterstützungsangebote an die Hand gegeben werden müssten. Die Konsumenten selbst würden dafür ein Klima-Label, Informationen am Einkaufsort oder ein gemeinsames Label für positive Eigenschaften von Lebensmitteln präferieren. Jüngere Befragte könnte man gegebenenfalls auch über „neue“ Medien (z. B. spezielle Apps etc.) erreichen. Die drei getesteten Label-Formate (Kategorien-Label, Blauer Engel und One-tick-Label) sind relativ gut geeignet, um Konsumenten zu helfen, klimafreundliche(re) Lebensmittel besser zu erkennen. Das One-tick-Label hilft Konsumenten insgesamt am besten, obwohl es von den Konsumenten am schlechtesten bewertet wird und ihnen am wenigsten vertraut ist. Das Kategorien-Label wird am besten bewertet, ist aber am schwersten zu verstehen. Insgesamt zeigen die Studien, dass Konsumenten ein detaillierteres Label bevorzugen, das Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Produkten gewährleistet. Obwohl ein Klima-Label das präferierte Unterstützungsangebot darstellt, spielt es jedoch nur eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung für Obst und Gemüse. Viel wichtiger ist den Befragten stattdessen die Herkunft. Trotzdem steigert das Vorhandensein eines Labels den Nutzen für Konsumenten.
Handlungsempfehlungen
Aus den Verbraucherstudien lassen sich folgende Handlungsempfehlungen ableiten: CF von Gartenbauprodukten sollten zukünftig berechnet werden und als internes Hilfsmittel und zur B2B-Kommunikation in der Wertschöpfungskette genutzt werden. Ferner sollte die Branche Verbraucher verstärkt über die Klimaauswirkung ihrer Produkte aufklären bzw. die Klimaauswirkung ihrer Produkte thematisieren, indem z. B. spezifische Vorteile von pflanzlichen Lebensmitteln betont und die Vorteile von bestimmten Produktionsmethoden verdeutlicht werden. Verbrauchern sollten außerdem Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, mit denen diese informiertere Kaufentscheidungen hinsichtlich der Klimaauswirkungen treffen können. Ein qualitatives CO2-Label könnte ggf. für die Lebensmittelbranche insgesamt geprüft werden. Dagegen ist davon abzuraten, dass die Gartenbaubranche eine Insellösung für ihre Produkte anstrebt.
Publikationen
Promotionen
Regulating plant morphology and physiology with LED lighting
- Promovierende Person
- Dr. Thomas Schwend
- Forschungsschwerpunkt
- Umweltvorsorge
- Zeitraum
- 01.09.2013 – 01.06.2017
- Wissenschaftlich betreuende Person (HSWT)
- Prof. Dr. Heike Susanne Mempel
- Einrichtung
-
Fakultät Gartenbau und Lebensmitteltechnologie
Standort Straubing für nachhaltige Ressourcennutzung - Wissenschaftlich betreuende Person (extern)
-
Prof. Dr. Uwe Schmidt
Humboldt-Universität zu Berlin