• Laufzeit: 01.04.2022 – 30.09.2023
  • Schwerpunkt: Klimawandel
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Klimaeffiziente Nutzung holzbasierter Ressourcen (KlimaHolz)

Derzeit werden die Klimaschutzwirkungen der Holznutzung in Europa sehr kontrovers diskutiert. Insbesondere die energetische Nutzung wird dabei als klimaschädlich im Vergleich zum Aufbau von Holzvorräten im Wald angesehen. Für belastbare Vergleiche der Klimaschutzwirkung holzbasierter Ressourcen bieten sich aufgrund langfristiger Planungszeit­räume für die Waldbewirtschaftung und Holznutzung Analysemethoden an, die langfristige Effekte aller beteiligten Sektoren und sozio-ökonomische Kriterien einschließen.

Hintergrund

Wälder, Holzprodukte und Bioenergie aus Holz spielen für Umwelt und Klimaschutz eine wichtige Rolle durch vielfältige Aspekte. Allerdings besteht aktuell ein aktiver Diskurs um die klimaoptimale Nutzung von Wäldern und Holz und um die Frage, ob Wälder verstärkt aus der Nutzung gestellt werden sollten, um möglichst große Vorräte als Kohlenstoffspeicher aufzubauen. Zusätzliche sollen diese Pläne die EU Biodiversitätsstrategie und weitere Ökosystemdienstleistungen durch einen strengen Schutz von bis zu 30% der Land- und Seefläche unterstützen. Das Vorgehen des Vorratsaufbaus führt auf der anderen Seite zu einem Rückgang der Ernte und Produktion von Holzprodukten und Bioenergie aus Holz, mit einem entsprechenden Verlust an Holz-Produktspeicher, Substitution und möglichen Leakage Effekten durch verstärkten Import von Holzwaren.

Zielsetzungen

Ziel des KlimaHolz Projekts war es, die Effekte von verstärktem Schutz, sowie Nutzung von Wäldern und Holz für den Klimaschutz über definierte explorative Szenarien bis 2100 zu quantifizieren. Damit werden relevante Informationen zur Klimawirkung möglicher Vorhaben und Pläne geliefert, die Entscheidungsträger unterstützen und über mögliche Trade-Offs aufklären können. Die Berechnungen finden für gesamt Europa sowie Deutschland mit einem gesonderten Länderprofil statt und umfassen sowohl den Wald als auch Holzprodukte und die entsprechenden Substitutionen, die durch die stoffliche und energetische Verwendung von Holz entstehen.

Methodik und Datengrundlage

Vier definierte Szenarien beschreiben jeweils ein intensives Schutzszenario, ein extensives Schutzszenario, ein Szenario mit mehr Nutzung für proaktiven Waldumbau und ein Weiterführen historischer Trends ohne Veränderung als Business-as-usual (BAU) Szenario. Die Datengrundlage für die Waldentwicklung bilden nationale Waldinventurdaten und FAO Daten der Jahre 1990 bis 2020, die unter den Annahmen der jeweiligen Szenarien bis 2050, und für eine langfristige Indikation bis 2100, extrapoliert wurden. Auf der Datenbasis von Markt- und Produktionsstatistiken und basierend auf den Produktionsverhältnissen und Ausbeuten der Holzverarbeitenden Industrie wurden zusätzlich Produkte und Märkte extrapoliert. Produkte wurden in die Gruppen „Schnittholz“, „Holzwerkstoffe“ und „Papier & Pappe“ eingeteilt.

Das KlimaHolz Modell unterscheidet zusätzlich in Nadel- und Laubholz, um eine differenziertere Betrachtung von Wäldern und der Verwendung von Holz zu ermöglichen. Auch wurde das statistisch erfasste Derbholz (>10 cm) über Hebefaktoren um feines Holz (<10cm) erweitert und es wurden Importe und Exporte mitbilanziert, womit globale Effekte dargestellt werden konnten.

Die so entwickelten Szenarien wurden auf ihre jährliche und kumulative Klimawirkung (GWP100) bewertet. Dazu wird, angelehnt an die Methodik der Ökobilanzierung (LCA), das gesamte System Wald und Holz in allen Aspekten ganzheitlich bilanziert. Das Gesamtsystem setzt sich aus den Teilbereichen Wald, Holzprodukte und Bioenergie zusammen. Im Teilbereich Wald entstehen Effekte durch Speicherwirkung in lebender und toter Biomasse, sowie Emissionen durch die Verrottung von Totholz. Die Speicherwirkung und Emissionen wurden über einen biogenen Emissionsfaktor berechnet, welcher die Speicherwirkung über den Effekt einer verzögerten Emission beinhaltet. Die Lebensdauer des Waldholzes wurde als Halbwertszeit der zu erwartenden Verweildauer berechnet. Totholz wurde zudem mit dem YASSO20 Modell analysiert, welches auch die Effekte in der Streu und im Boden berechnet. Über YASSO20 konnte auch die Halbwertszeit von Totholz als Speicherdauer bestimmt werden, inklusive des Anteils an Kohlenstoff der langfristig stabil im Boden verbleibt.

Im Teilbereich Produkte entstehen Effekte durch die Vorkette, Speicher in Produkten, Substitution und das Lebensende. Für die Vorkette wurden LCA Daten aus der Literatur und der Ecoinvent Datenbank verwendet, während die Speicherwirkung über die Halbwertszeiten der Produktgruppen berechnet wurde. Für das Lebensende wurde zunächst entsprechende Kaskadennutzung modelliert und schließlich Emissionen durch Verbrennung oder Verrottung. Die Substitutionswirkung der Holzprodukte wurde über den Ersatz pro funktioneller Einheit von Alternativen und deren Klimawirkung bestimmt. Im Teilbereich der Bioenergie entstand eine Klimawirkung durch Vorkette, Emissionen aus Verbrennung und Substitution. Die Effekte der Bioenergie wurden zusätzlich isoliert betrachtet und im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wurde der Effekt von Bio Carbon Capture and Storage (BECCS) Technologien getestet.

Biogene Emissionen wurden über einen biogenen Emissionsfaktor bestimmt. Dieser basiert auf den Studien von Cherubini et al. (2011) und Guest et al. (2013). Der Faktor beschreibt die schnellere Wiederaufnahme von biogenem CO2 im biogenen Kohlenstoffkreislauf durch Wachstum nach der Ernte. Dieser Faktor erlaubt auch das Berechnen der Speicherwirkung durch Verzögerung von Emissionen gegenüber dem Zeithorizont und bezieht das Wachstum von Biomasse mit ein.

Ergebnisse und Zusammenfassung

Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Diskussion um die Klimawirkung und optimale Nutzung von Wäldern klar zwischen Laubwäldern und Nadelwäldern und den einzelnen Ländern und Regionen in Europa differenziert werden sollte. Zusätzlich spielt die Verweildauer von biogenem Kohlenstoff in der Atmosphäre eine wichtige Rolle. Die häufige Annahme der Klimaneutralität von biogenem Kohlenstoff wurde in der vorliegenden Studie nicht verwendet. Stattdessen wurden effektive Verweildauern für biogenen Kohlenstoff in der Atmosphäre und in verschiedenen Produktsystemen verwendet, welche den Zeitpunkt und die Dauer der Klimawirkung bestimmen. Auch die Berücksichtigung von Importen und Exporten wurden durch globalen Klimawirkungen beachtet.

Zusammenfassend zeigte sich in Europa und Deutschland, dass für Nadelholz ein proaktiver Waldumbau, also eine verstärkte Nutzung mit Pflanzung von klimaangepassten Provenienzen heimischer Baumarten und mehr Mischwald, die besten Ergebnisse in Bezug auf die Klimawirkung erreicht. Diese Wirkung geht bei Nadelholz auf die stark positive Wirkung von Produkten durch Substitution und Speicherung in langlebigen Produkten zurück sowie dem Vermeiden von Importen, durch die Klimaschäden lediglich verlagert werden. Für Laubholz ergibt sich ein differenzierteres Bild. Für Europa ist hier eine Reduktion der Nutzung über den gesamten Zeitraum bis 2100 die klimaoptimale Strategie. Für Deutschland zeigte sich allerdings für Laubholz aufgrund der hohen Anteile alter Laubwälder, dass ein proaktiver Waldumbau mittelfristig (bis ca. 2050) bessere Klimawirkungen erzielt und erst anschließend die Effekte durch einen höheren Vorratsaufbau überwiegen. So können mit dem gesamten System Wald, Holzprodukten und Bioenergie klimaoptimale Effekte erreicht werden. Darüber hinaus zeigt sich, dass stets die extremeren Szenarien die besten Ergebnisse erzielen. Dies unterstreicht, dass Maßnahmen zum Klimaschutz bei der Waldbewirtschaftung und der Verwendung von Holz entschieden umgesetzt werden sollten.

Als Beitrag zur EU Biodiversitätsstrategie wurde in allen Szenarien die Biodiversität durch eine Mindestmenge an Totholz (10% des stehenden Vorrates) im Wald und die Annahme von schonender einzelstammweiser Ernte ohne Kahlschläge gesichert. Zusätzlich werden Reinbestände zu Mischwäldern umgewandelt, was einen weiteren positiven Beitrag zur Biodiversität darstellt. Zugleich senkt der Waldumbau, vor allem bei alten Wäldern, auch das Risiko von Kalamitäten, die aufgrund des Klimawandels immer häufiger auftreten und den damit verbundenen durch Kahlschläge geprägte Waldstrukturen. Ein proaktiver Waldumbau benötigt zusätzlich eine enge Zusammenarbeit mit der holzverarbeitenden Industrie und Politik zur Steigerung langlebiger Produkte und der energetischen Nutzung der Reststoffe zur Substitution fossiler Energieträger.

Für Bioenergie aus Wald- und Industrierestholz zeigt sich, dass die energetische Nutzung von Holz unter aktuellen Bedingungen klimapositiv ist. Diese Möglichkeit zur Substitution nimmt in den kommen Jahren jedoch (voraussichtlich) stetig ab, da die Energieversorgung stetig weiter defossilisiert wird. Durch den Einsatz von Pyrolyse oder Holzvergasungstechnologien (BECCS) besteht jedoch die Chance von langfristig klimapositiver Bioenergie auch ohne die Substitution fossiler Energieträger mit einem substanziellen Beitrag zur dringend notwendigen Dekarbonisierung der Atmosphäre.

Sozioökonomische Effekte

Ein proaktiver Waldumbau resultiert auch in positiven sozioökonomischen Effekte. Durch die Vermeidung des Imports von fossilen Energieträgern wird nicht nur Europas energetische Unabhängigkeit gefördert, sondern es werden auch Wertschöpfungsketten mit Einkommen und Arbeitsplätzen in Europa geschaffen. Ein zugleich positiver Klimaeffekt besteht zunächst vorwiegend durch Substitution von fossilen Energieträgern, kann aber mit Hilfe von BECCS unabhängig von der Substitution fossiler Energieträger auch langfristig bestehen bleiben. Damit stellt Holzenergie keine „Brückentechnologie“ dar, sondern den Einstieg in einen Ausbaupfad holzbasierter Bioraffinerien und Bioproduktwerke als negative Emissions-Technologien sowohl zur Herstellung neuer holzbasierter Produktsysteme als auch zur nachhaltigen Sicherung mit erneuerbarer Energie. Durch den historisch bedingten Technologievorsprung im Bereich der thermischen Nutzung biogener Festbrennstoffe und dem Aufschluss von Holz für Plattformchemikalien besteht die große Chance, in Europa mit neuen Technologien als Vorreiter für negative Emissions-Technologien voranzugehen.

Langfassung der Studie

Hier finden Sie die Langfassung der Studie zum Download.

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