Konsens fördern, nachhaltige Lösungen finden: Neues Weiterbildungsportal zu Biodiversität

  • Datum: 29.07.2019
  • Autor: Gerhard Radlmayr; Christine Dötzer
Biodiversität und Artenvielfalt stehen spätestens seit dem erfolgreichen bayerischen Volksbegehren "Rettet die Bienen" im Fokus der Öffentlichkeit. (Foto: Colourbox)

Triesdorf, 02.08.2019 - Ab sofort können sich Interessierte im kostenfreien Online-Weiterbildungsportal „Raum für Vielfalt” der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) zum Thema Biodiversität informieren. Das Portal bietet in diversen Modulen Anregungen für Landwirte, Umweltplaner, Naturschützer und alle, die mit Gestaltung von Landschaft zu tun haben. Ziel des Projekts ist es, durch Information den Diskurs von sich oft gegensätzlich gegenüberstehenden Parteien fruchtbarer zu machen. Ein besseres Verständnis der Belange des jeweils anderen Lagers soll als Basis dienen für das Entstehen von Lösungen, die mittelfristig die Biodiversität stabilisieren sowie eine nachhaltige und zugleich ökonomische Bewirtschaftung ermöglichen.

Vor allem vor dem Hintergrund des seit 1. August dieses Jahres in Bayern geltenden Gesetzes zum Schutz der Artenvielfalt, das auf das erfolgreiche Volksbegehren Anfang 2019 zurückgeht, begegnet das Weiterbildungsportal einer hochaktuellen Nachfrage. So betont z. B. Agnes Becker vom Trägerkreis des Volksbegehrens: „Beim Runden Tisch haben wir in schwierigen Punkten Lösungen für die landwirtschaftliche Praxis gefunden. Landwirte haben also keinen Grund, gegen die Veränderungen für mehr Artenvielfalt auf Wiesen und Äckern zu sein.“ Aus diesem Kreis wird besonders auch auf den Erfolg beim Thema naturverträgliche Landwirtschaft hingewiesen (Quelle).

Zentrales Element: E-Learning-Module

15 intuitiv zu bedienende, interaktive Module bilden Themen im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie sowie von Natur und Kultur ab. Sie beleuchten das Thema Biodiversität aus verschiedenen Blickwinkeln und informieren darüber, was jede und jeder Einzelne tun kann, um die vielfältigen Lebensräume der Kulturlandschaft zu fördern und zu schützen. Themen wie Bedeutung der Vielfalt und Regionalvermarktung stehen im Zentrum, Gewässerschutz und Smart Farming am ökologischen und technischen Ende der Skala. Anhand verschiedener Aspekte wie etwa der Bedeutung der Erhaltung verschiedener Insektengruppen wird detailliert dargestellt, wie günstige Rahmenbedingungen zu einer hohen Vielfalt führen. Ferner, wie sich dies auf die Landbewirtschaftung auswirkt und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich für die Landwirte bieten.

Jedes Modul beinhaltet eine Einführung ins jeweilige Thema, fachliche Informationen in Bezug auf Biodiversität sowie eine Vorstellung aktueller Projekte aus der Praxis. Im Fokus steht auch der Praxisbezug: In einer virtuellen Landschaft simuliert das Tool anhand eines fiktiven Betriebs die Planung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen, so dass Landwirtinnen und -wirte den Grad der Biodiversität für eine Fläche bewerten können. Mittels eines Selbsttests können Anwenderinnen und Anwender ihren Lernerfolg am Ende jeder Lerneinheit überprüfen.

Über die spezifische Zielgruppe (s.o.) hinaus eignet sich das Schulungsangebot auch sehr gut zur Wissensvermittlung und Sensibilisierung für Biodiversität in Hochschulen, Schulen und Bildungseinrichtungen. Ebenso ermöglicht es jedem interessierten Naturliebhaber, Zusammenhänge der Biodiversität besser verstehen zu lernen und im individuellen Rahmen jedes Einzelnen zu einer Erhöhung der Biodiversität beizutragen.

Entwickler und Fördergeber

Entwickelt wurde das Wissenstransfer-Projekt seit März 2017 am Biomasse-Institut der HSWT am Campus Triesdorf unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Rudner und Mitwirkung von elf weiteren Professorinnen und Professoren aus den Fakultäten „Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung” sowie „Umweltingenieurwesen”. „Das Projekt war gestartet, lange bevor die biologische Vielfalt in den Fokus des öffentlichen Interesses geraten ist”, betont Rudner. Der Bericht eines Mitglieds des Projektkonsortiums, dass kurz nach Projektende 400 Hektar Blühflächen im Bereich der Wassergewinnung vertraglich festgelegt wurden, freut den Landschafts- und Pflanzenökologen ganz besonders.

Der Europäische Sozialfonds sowie der Freistaat Bayern förderten das Projekt, die virtuelle Hochschule Bayern begleitete es als Projektträger.

Andere Blickwinkel nachvollziehen lernen

„Seien Sie mutig und bearbeiten Sie auch Module, die die Sichtweise anderer beleuchten”, appelliert Isabel Möhrle, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, an die Anwender. So empfiehlt sie Landbewirtschaftern vornehmlich die Bearbeitung naturschutzrelevanter Module. „Und Kritiker der modernen Landwirtschaft könnten den aktuellen Druck auf Landwirte besser verstehen lernen, wenn sie sich beispielsweise mit dem Modul `Konservierende Bodenbearbeitung´ auseinandersetzen.”

Ferner ist sie optimistisch in Hinblick auf eine zeitnahe praktische Anwendung des Weiterbildungs-Portals: "Einige Module wurden von Studierenden und Mitarbeiterin vorab durchgearbeitet. Drei Studenten haben dazu auch Ihre Bachelorarbeiten geschrieben. Die übereinstimmende Meinung aller war, dass es zum Einstieg in das Thema Biodiversität sehr gut geeignet ist und viel Basiswissen zum Thema vermittelt". Einen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt zu leisten, diese gerade von 1,8 Millionen Bürgern im Volksbegehren zum Ausdruck gebrachte Motivation, war auch eine starke Motivation für das große Engagement von Möhrle: "Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit auch die junge Generation, die anders lernt, erreichen und fesseln kann. Ich möchte sie überzeugen, dass etwas für die Umwelt getan werden muss und uns Monotonie nicht weiterbringt. Wir benötigen dringend die Artenvielfalt. Und jeder kann einen kleinen Beitrag dazu leisten."

Statements von Beteiligten

Auch die Feedbacks und Statements der am Projekt beteiligten Kooperationspartner weisen darauf hin, dass die Erhaltung und Förderung von Biodiversität und Artenvielfalt uns alle betreffende Lebensnotwendigkeiten bedeuten.

Besonders deutlich macht dies Christian Freytag, Verwaltungsleiter eines großen regionalen Zweckverbands zur Wasserversorgung, der das Projekt mit viel Engagement und Zeitaufwand unterstützt hat: "Gerade die Kombination Wissenstransfer Hochschule und Wasserwirtschaft bot beiderseitig viele Vorteile und Ideen bei der Projektumsetzung. Die Erfahrungen aus über 20 Jahren konnten an vielen Stellen ins Projekt eingebracht werden [aus freiwilligen Kooperationsvereinbarungen mit Landwirten zum Schutz des Grundwassers vor z.B. Nitrateinträgen oder Pflanzenschutzmitteln; Anm. d. Red.]. Auch die Anwenderfreundlichkeit wurde durchwegs positiv bewertet: "Der Nutzer der verschiedenen Module findet sich aufgrund der einheitlichen Struktur und Vorgehensweise schnell zurecht und kann einzelne E-Learning-Module bearbeiten und wechseln oder sein erworbenes Wissen an einer virtuellen Landschaft testen. Per Text, Bild, Audio und Film werden Informationen spannend transportiert." Der Diplom-Ingenieur (FH) bezeichnet dann das Resultat auch als "ein gelungenes online-Weiterbildungswerk nicht zuletzt wegen der vielen und engen Abstimmungstermine an der Hochschule für alle Landwirte, landwirtschaftliche Berater, Kommunen und Planungsbüros."

Alle Kommentare von Beteiligten sind (demnächst) bei den Seiten des Weiterbildungs-Portals am Biomasse-Institut zu finden.

Folgeprojekt in Planung

"Wir denken darüber nach, das ganze ins Open vhb der virtuellen Hochschule Bayern einzuspielen. Dazu müssen wir Mittel beantragen, um Module zur Biodiversität im Siedlungsbereich zu entwickeln, die das Ganze ergänzen sollen. Auch hiervon erwarten wir dann eine gewisse Breitenwirkung", so Prof. Dr. Michael Rudner zu den Zukunftsvisionen des Projekts.

  • Printscreen aus dem Weiterbildungs-Portal mit 6 von 15 interaktiven Modulen. (Schema: HSWT)
    Printscreen aus dem Weiterbildungs-Portal mit 6 von 15 interaktiven Modulen. (Schema: HSWT)
  • Blühendes Rapsfeld mit umgebender Heckenlandschaft. (Foto: Colourbox)
    Blühendes Rapsfeld mit umgebender Heckenlandschaft. (Foto: Colourbox)
  • Artenreiche Wildhecken tragen deutlich zu einer Erhöhung der Biodiversität bei. (Foto: HSWT)
    Artenreiche Wildhecken tragen deutlich zu einer Erhöhung der Biodiversität bei. (Foto: HSWT)
  • Beim "Tag der Artenvielfalt" in Triesdorf werden Schulkinder in der Erfassung der Insekten- und Pflanzenvielfalt angeleitet. (Foto: HSWT)
    Beim "Tag der Artenvielfalt" in Triesdorf werden Schulkinder in der Erfassung der Insekten- und Pflanzenvielfalt angeleitet. (Foto: HSWT)
  • Das Ausbeute der gesammelten Wildpflanzen am "Tag der Artenvielfalt" wird zur übersichtlicheren Auswertung auf einem großen weißen Papierbogen präsentiert. (Foto: HSWT)
    Das Ausbeute der gesammelten Wildpflanzen am "Tag der Artenvielfalt" wird zur übersichtlicheren Auswertung auf einem großen weißen Papierbogen präsentiert. (Foto: HSWT)
  • Der gut besuchte Johannitag am Campus Triesdorf war eine gute Gelegenheit, das soeben abgeschlossene Projekt "Raum für Vielfalt" Fachbesuchern und Interessierten zu präsentieren. (Foto: HSWT)
    Der gut besuchte Johannitag am Campus Triesdorf war eine gute Gelegenheit, das soeben abgeschlossene Projekt "Raum für Vielfalt" Fachbesuchern und Interessierten zu präsentieren. (Foto: HSWT)

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